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Ex. 258.

Der Handschuh.

Vor seinem Löwengarten

Das Kampfspiel zu erwarten,

Saß König Franz,

Und um ihn die Großen der Krone,
Und rings auf hohem Balcone

Die Damen in schönem Kranz.

Und wie er winkt mit dem Finger,
Auf thut sich der weite Zwinger,
und hinein mit bedächtigem Schritt
Ein Löwe tritt

Und sieht sich stumm
Rings um,

Mit langem Gähnen,
und schüttelt die Mähnen

Und strecket die Glieder
Und leget sich nieder.

Und der König winkt wieder.

Da öffnet sich behend

Ein zweites Thor,

Daraus rennt

Mit wildem Sprunge

Ein Tiger hervor.

Wie der den Löwen erschaut,

Brüllt er laut,

Schlägt mit dem Schweif

Einen furchtbaren Reif,
Und recket die Zunge,
Und im Kreise scheu

Umgeht er den Leu,

Drauf streckt er sich murrend
Zur Seite nieder.

Und der König winkt wieder,

Da speit das doppelt geöffnete Haus

Zwei Leoparden auf einmal aus,

Die stürzen mit muthiger Kampfbcgier

Auf das Tigerthier;

Das packt sie mit seinen grimmigen Tagen,

Und der Leu mit Gebrüll

Richtet sich auf, da wird's still;

Ex. 259.

und herum im Kreis,
Von Mordsucht heiß,

Lagern sich die gräulichen Kaßen.

Da fällt von des Altans Rand
Ein Handschuh von schöner Hand
Zwischen den Tiger und den Leun
Mitten hinein.

and zu Ritter Delorges, spottender Weis',
Wendet sich Fräulein Kunigund;
"Herr Ritter, ist eure Lieb so heiß,
Wie ihr mir's schwört zu jeder Stund,
Ei, so hebt mir den Handschuh auf!"

Und der Ritter in schnellem Lauf
Steigt hinab in den furchtbaren Zwinger
Mit festem Schritte,

Und aus der Ungeheuer Mitte

Nimmt er den Handschuh mit keckem Finger.
Und mit Erstaunen und mit Grauen
Sehen's die Ritter und Edelfrauen,

Und gelassen bringt er den Handschuh zurück.

Da schallt ihm sein Lob aus jedem Munde,
Aber mit zärtlichem Liebesblick

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Er verheißt ihm sein nahes Glück ·
Empfängt ihn Fräulein Kunigunde.

Und er wirft ihr den Handschuh ins Gesicht:
"Den Dank, Dame, begehr' ich nicht."

Und verläßt sie zur selben Stunde.

Schiller.

Des Deutschen Vaterland.

Was ist des Deutschen Vaterland?

Ist's Preußenland? ist's Schwabenland?
Ist's, wo am Rhein die Rebe blüht?
Ist's, wo am Belt die Möve zieht?
nein, o nein, o nein!
Sein Vaterland muß größer sein!

Was ist des Deutschen Vaterland?
It's Baierland? ist's Steierland?

Ist's, wo des Marsen Rind sich streckt?
Ist's, wo der Märker Eisen reckt?
O nein, o nein, o nein!

Sein Vaterland muß größer sein.

Was ist des Deutschen Vaterland? It's Pommerland, Westfalenland? It's, wo der Sand der Dünen weht? Ist's, wo die Donau brausend geht? O nein, o nein, o nein!

Sein Vaterland muß größer sein.

Was ist des Deutschen Vaterland?
So nenne mir das große Land!
Ist's Land der Schweizer? ist's Tyrol?
Das Land und Volk gefiel mir wohl!
O nein, o nein, o nein!

Sein Vaterland muß größer sein.

Was ist des Deutschen Vaterland?
So nenne mir das große Land!
Gewiß ist es das Oesterreich,
An Siegen und an Ehren reich?
Onein, o nein, o nein!

Sein Vaterland muß größer sein.

Was ist des Deutschen Vaterland?
So nenne endlich mir das Land!
So weit die deutsche Zunge klingt
Und Gott im Himmel Lieder singt.
Das soll es sein,

Das, wackrer Deutscher, soll es sein.

Das ist des Deutschen Vaterland,
Wo Eide schwört der Druck der Hand,
Wo Treue hell vom Auge blist
Und Liebe warm im Herzen sigt.

Das soll es sein,

Das, wackrer Deutscher, nenne dein.

Das ist des Deutschen Vaterland,
Wo Zorn 'vertilgt den welschen Land,
Wo welsch und falsch hat gleichen Klang,
und deutsch meint Herzensüberschwang :
Das soll es sein,

Das ganze Deutschland soll es sein!

C C

Das ganze Deutschland soll es sein!
O Gott! vom Himmel sieh' darein!
und gib uns rechten deutschen Muth,
Daß wir es lieben treu und gut!
Das soll es sein,

Das ganze Deutschland soll es sein!

Arndt.

Ex. 260.

Das Glück von Edenhall.

Von Edenhall der junge Lord
Läßt schmettern Festdrommetenschall,
Er hebt sich an des Tisches Bord
Und ruft in trunkener Gäste Schwall:
Nun her mit dem Glücke von Edenhall!"

Der Schenk vernimmt ungern den Spruch,
Des Hauses ältester Vasall,

Nimmt zögernd aus dem seidnen Tuch
Das hohe Trinkglas von Kristall,

Sie nennen's: das Glück von Edenhall.

"

Darauf der Lord: Dem Glas zum Preis
Schenk' Rothen ein aus Portugal!"
Mit Händezittern gießt der Greis,
Und purpurn Licht wird überall,

Es strahlt aus dem Glücke von Edenhall.

Da springt der Lord und schwingt's dabei:
"Dies Glas von leuchtendem Krystall
Gab meinem Ahn am Quell die Fei,
Drein schrieb sie: kommt dies Glas zu Fall,
Fahr wohl dann, o Glück von Edenhall!

Ein Kelchglas ward zum Loos mit Fug
Dem freud'gen Stamm von Edenhall;
Wir schlürfen gern in vollem Zug,
Wir lauten gern mit vollem Schall;
Stoßt an mit dem Glücke von Edenhall."

Erst klingt es milde, tief und voll,
Gleich dem Gesang der Nachtigall,
Dann wie des Waldstroms laut Geroll
Zulegt erdröhnt wie Donnerhall
Das herrliche Glück von Edenhall.

Zum Horte nimmt ein kühn Geschlecht
Sich den zerbrechlichen Krystall;
Es dauert länger schon als recht,
Stoß an! mit diesem kräftigen Prall
Versuch ich das Glück von Edenhall."

Und als das Trinkglas gellend springt,
Springt das Gewölb mit jähem Knall,
Und aus dem Riß die Flamme dringt;
Die Gäste sind zerstoben all

Mit dem brechenden Glück von Edenhall.

Einstürmt der Feind, mit Brand und Mord,
Der in der Nacht erstieg den Wall,
Vom Schwerte fiel der junge Lord,
Hält in der Hand noch den Krystall,
Das zersprungene Glück von Edenhall.

Am Morgen irrt der Schenk allein,
Der Greis, in der zerstörten Hall;
Er sucht des Herrn verbrannt Gebein,
Er sucht im grausen Trümmerfall

Die Scherben des Glücks von Edenhall.

"Die Steinwand," spricht er, springt zu Stück,

Die hohe Säule muß zu Fall,

Glas ist der Erde Stolz und Glück,

In Splitter fällt der Erdenball

Einst gleich dem Glücke von Edenhall."

Ex. 261.

Der Jäger Abschied.

Frisch auf, ihr Jäger, frei und flink,
Die Büchse von der Wand!

Der Muthige bekämpft die Welt!

Frisch auf den Feind! Frisch in das Feld

Fürs Deutsche Vaterland!

Aus Westen, Norden, Süd und Ost
Treibt uns der Rache Strahl

Vom Oderflusse, Weser, Main,

Vom Elbstrom und vom Vater Rhein

Und aus dem Donauthal.

Uhland.

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