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incolumi gravitate iocum temptavit eo quod inlecebris erat et grata novitate morandus spectator functusque sacris et potus et exlex. verum ita risores, ita commendare dicacis conveniet satyros, ita vertere seria ludo, ne quicumque deus, quicumque adhibebitur heros, regali conspectus in auro nuper et ostro, migret in obscuras humili sermone tabernas,

iocum: im Hintergrunde liegt, daß effutire levis indigna tragoedia versus 231: er vergreift sich an etwas, was nicht seine Sache ist.

incolumi gravitate, wie 231 bis 233 weiter ausgeführt wird.

222. Die Begründung ist geschöpft aus der von Äschylus beobachteten Regel an den Schluß der dramatischen Tetralogie als viertes Stück das Satyrspiel zu stellen, die H. auf die ersten Anfänge des Satyrdramas rücküberträgt. Die Bezugnahme auf das dem Dionysos zu Beginn dargebrachte Opfer in functus sacris, so wie die Vorstellung, daß die Zuschauer bezecht und in ausgelassener Stimmung im Theater festzuhalten seien, gehen dagegen aus dem Bilde hervor, welches sich H. von den ersten mehr improvisierten Versuchen des dramatischen Spiels an den Dionysosfesten macht. inlecebris: inwiefern, erhellt aus 225. 226. Aber dieses erklärliche Bemühen, den Zuschauer zu fesseln (231), muß sich von vornherein gewisse Schranken ziehen und sich vorsetzen, dieselben nicht zu überschreiten: ita . . ne, wie 151. commendare, meint das Bemühen des Dichters, seine Geschöpfe, die stets frohmütigen (risores) und zu mutwilligen Späßen (dicaces) aufgelegten Gesellen des Weingottes, beim Publikum empfehlend einzuführen: I 18, 7.

226. seria: der Ernst der voraufgegangenen Tragödie wird zum

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heiteren Spiele verkehrt, wenn dieselben Figuren, die eben (nuper) in dem ganzen Pomp tragischer Inszenierung sich hatten sehen lassen, jetzt herniedersteigen in die Sphäre der Satyrn. Zum Beispiel bei Äschylus Ödipus in der Σφίγξ oder Lykurg im Λυκούργος, Herakles im Syleus des Euripides, oder Amphiaraos und Hephäst in den gleichnamigen Stücken des Sophokles und Achaeus.

Das Folgende bis 233 handelt davon, wie die im Satyrspiel herangezogenen Personen behandelt werden sollen. Die scherzende Behandlung solcher tragischer Rollen muß die beiden Klippen vermeiden, entweder ihren Ton zu niedrig zu stimmen und zur Komödie herabzusinken, oder durch Überbietung des tragischen oyzos in die Parodie zu verfallen (227 bis 230). Positiv ausgedrückt: die tragische Muse muß sich, wenn sie unter diesen lustigen Gesellen sich bewegt, benehmen, wie die ehrbare Matrone, wenn sie im sakralen Reigentanz (s. zu od. II 12, 17 fg.) für eine kurze Zeit ihre unnahbare Würde und Hoheit beiseite legt: 231-233. adhibebitur hinzugezogen' wird, da die Satyrn als stehende Personen den Kern des Stückes bilden. spectus in auro, 'in Gold und Purpur gehüllt', s. zu od. I 5, 1: oder hieße es 'auf goldgestickten Purpurpfühlen'? - migret in tabernas: der Ausdruck ist im Hinblick auf die literarhistorische

con

aut, dum vitat humum, nubis et inania captet. effutire levis indigna tragoedia versus, ut festis matrona moveri iussa diebus, intererit satyris paullum pudibunda protervis. non ego inornata et dominantia nomina solum verbaque, Pisones, satyrorum scriptor amabo, nec sic enitar tragico differre colori, ut nihil intersit Davusne loquatur et audax

Terminologie gewählt, welche die comoedia togata, das auf einheimischem Boden sich bewegende Lustspiel des Afranius, als fabula tabernaria bezeichnete, et humilitate personarum et argumentorum similitudine comoediis pares, in quibus non magistratus regesve

- wie in den Praetextaten - sed humiles homines et privatae domus inducuntur, quae quidem olim quod tabulis tegerentur communiter tabernae vocabantur Diomed. p. 59 Kaib., wohl (indirekt) aus Varro.- humili sermone mit migret zu verbinden; migrare aber ist das eigentliche Wort für das Verlassen seiner Wohnung, das 'Ausziehen' in eine andere. humum i. e. sermonem humi repentem oder humilem, τaлevós.

nubis, also οὐχ ὑψηλὰ ἀλλὰ μετέωρα (π. ὕψους 3, 2) rede. inania, den leeren Luftraum über den Wolken, aine tonuos, aber zugleich das xevóv des hohlen Wortprunks.

231. tragoedia, hier ganz persönlich die Muse der Tragödie, die im Satyrdrama vom Kothurn herabsteigt und sich als roayudia παίζουσα gibt, wie Demetrios π. Qunveias 169 das Satyrspiel geradezu nennt, indigna effutire, es ist ihrer unwürdig, mit derselben persönlichen Struktur von indignus wie in indigni fraternum rumpere foedus I 3, 35. levis vom leichtfertigen Inhalt; dazu paßt effutire. moveri (II 2, 125) iussa, gezwungen durch

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religiöse Pflichterfüllung. — paullum mit intererit zu verbinden.

234. Ging das Vorhergehende auf das Ethos der Darstellung, so faßt das Folgende die elocutio als solche ins Auge: dem non.. solum entspricht als Ergänzung ex noto fictum carmen sequar 240. Zugleich schreitet die Erörterung von den tragischen Rollen des Satyrspiels zu den dieser Spielart des Dramas eigentümlichen Personen, den Silenen (239) und dem Chor der Satyrn (244 fg.) fort. inornata, ohne den Schmuck der colores et figurae; dominantia übersetzt griechisches xúpa, also 'ohne Metaphern'; nomina verbaque: ὀνόματα καὶ ῥήματα; vgl. sat. I 3, 103.

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si

235. satyrorum scriptor satyros scriberem, wie 120. Davus, Pythias und Simo sind Figuren der Komödie, der durchtriebene Sklave (Davus comicus sat. II 5, 91), die verschmitzte Dienerin (Pythias ancilla der Thais in Terenz' Eunuchus), der verliebte leichtgläubige Alte (Simo wie im plautinischen Pseudolus und Mostellaria). H. denkt an eine bestimmte Komödienszene: non dicit de Pythia Terentiana sed quae apud Caecilium (Lucilium codd.) comoediographum inducitur ancilla per astutias accipere argentum a domino schol. Pseudacr. Mit dem vulgären emungere 'aus der Nase ziehen' prellen (emunxi argento senes Ter. Phorm. 682), steigt Horaz

=

Pythias emuncto lucrata Simone talentum, an custos famulusque dei Silenus alumni. ex noto fictum carmen sequar, ut sibi quivis speret idem, sudet multum frustraque laboret ausus idem tantum series iuncturaque pollet, tantum de medio sumptis accedit honoris. silvis deducti caveant, me iudice, fauni ne velut innati triviis ac paene forenses

selbst zur Sphäre der Komödie hernieder. Silenus, der greise Pädagog, custos, des Dionysosknaben, und in Übertragung der menschlichen Sitte Sklave, famulus, desselben, soll in seiner Ausdrucksweise sich doch noch merklich von einem irdischen Davus unterscheiden.

240. carmen 'poetische Rede' im Gegensatz zur Prosarede: cum hanc facilitatem (extemporalem) non in prosa modo multi sint consecuti, sed etiam in carmine ut Antipater Sidonius et Licinius Archias Quintil. X 7, 19. Der Forderung von inornata et dominantia verba scheint nur Prosa zu genügen. Mit nichten: ich werde mich bemühen, eine echte Dichtung zu schaffen, indem ich nur aus bekanntem und gewohntem Sprachstoff meine Rede bilde. fictum, mit der Nebenbedeutung des Neugeschaffenen, wie 50. 52. Das Geheimnis des Erfolges beruht lediglich auf der σύνθεσις, denn series iuncturaque geht hier schwerlich wie in notum si callida verbum reddiderit iunctura novum 47 auf überraschende Wortverbindungen, sondern auf den eigentümlichen poetisch wirkenden Reiz, den der gute Vers auch mit alltäglichem Sprachmaterial erreicht: ποίημα . . γίνεσθαι ἐξ ἰδιωτικῶν τε καὶ εὐτελῶν (sc. λέξεων), συγκειμένων δὲ καλῶς, xonotór Philodem VH2IV 151 (Hausrath JJ. Suppl. XVII 275). 'Nichts leichter als das' denkt da

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wohl der Dilettant und bildet sich ein (speret) das auch zu können, um, wenn er an die Ausführung geht (ausus), einzusehen, daß er sich vergeblich abmüht. idem ist an derselben Versstelle wiederholt, um das duo si faciunt idem non est idem nachdrücklichst einzuschärfen. de medio sumptis sc. verbis, wie in Ciceros Vorschrift für den Redner verba .. legenda sunt potissimum bene sonantia, sed ea non ut poetae exquisita ad sonum, sed sumpta de medio (= usitata) orat. 163. tantum honoris, daß diese alltäglichen Worte zu dichterischer Rede geadelt erscheinen und den Eindruck des carmen machen. honor, hier vom Ehrenschmuck, wie ep. 11, 6 vom Laubschmuck, oder od. II 19, 14 vom Brautschmuck, oder wie sat. I 6, 83 die pudicitia als Ehrenschmuck der virtus. dit, dynamisches Präsens accedere potest.

acce

244. Fauni, die griechischen Σάτυροι: 1 19, 4. silvis deducti, aus dem Dunkel ihrer Wälder hervorgezogen und auf die Bühne gebracht; so bezeichnet auch Dioskorides (A. P. VII 411) neben der Tragödie das von Äschylus vervollkommnete Satyrspiel als τὰ ἀγροιῶτιν ἀν' ὅλαν παίγνια. Den Gegensatz dazu bildet die Gasse (trivia) einerseits, das elegante forum andererseits: beides zusammen gibt den Begriff des urbanus, der sowohl den gebil deten Städter, der sich auf dem

aut nimium teneris iuvenentur versibus umquam aut inmunda crepent ignominiosaque dicta: offenduntur enim quibus est equus et pater et res, nec, siquid fricti ciceris probat et nucis emptor, aequis accipiunt animis donantve corona. syllaba longa brevi subiecta vocatur iambus, pes citus; unde etiam trimetris adcrescere iussit

forum bewegt, wie den gemeinen Gassenpöbel umfaßt. iuvenari übersetzt griechisches veaviεýEova, das mutwillige Gebaren der gebildeten Jugend, deren Liebschaften zugekehrter Sinn sich in sentimental gezierten Verschen Luft macht, während auf der Gasse lärmende (crepant s. zu od. I 18, 5) Schimpfworte oder gar schmutzige Zoten zu hören sind: non debes, Marce, arripere convicium ex trivio Cic. pro Mur. 13.

248. quibus est equus et pater et res umschreibt die equites (113; II 1, 185; sat. I 10, 76) und ingenui (I 19, 34), die Gebildeten als die Leute von Stand, Geblüt und Vermögen. Der ingenuus hat einen pater, der libertus nur einen patronus. Brei aus ge

rösteten und zerriebenen Kichererbsen und geröstete Kastanien sind die billige Kost der kleinen Leute, die dieselben aus dem nächsten Wirtshaus oder von dem auf den Gassen herumziehenden Händler kaufen: otiosae vendit qui madidum cicer coronae Martial. I 41, 6: vgl. auch sat. I 6, 115. donantve corona, mit dem Siegerkranz, Symbol des Beifalls, der wie die ganze Terminologie der ästhetischen Beurteilung von den Agonen der attischen Bühne entlehnt ist.

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251-274. Lange hat die Darstellung sich beim Satyrspiel verweilt: als ob sie die versäumte Zeit einholen wollte, springt sie daher ohne jeden vorbereitenden Übergang über zu der Behand

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lung des Dialogverses, für die sie leitende Gesichtspunkte aufstellt: der Jambus ist ein schneller Takt: darum mußte sein Tempo verlangsamt werden; hat dies aber bei Ennius und Accius zur völligen Zurückdrängung des reinen Jambus geführt, so ist dies ein Fehler.

251. Vorauf geht die Definition des Jambus: nicht zu überflüssiger Belehrung, sondern zur Begründung der Charakteristik des Maßes als eines schnellen. Den beschleunigten Gang des Jambus (celeres iambi od. I 16, 24) empfanden die Späteren stärker: für Aristoteles ist vielmehr der Trochaeus Typus der Schnelligkeit (ἔστι γὰρ ῥυθμὸς τροχαλὸς τὰ TETOάμETOα rhet. III 8), während dagegen μάλιστα λεκτικὸν τῶν μέτρων τὸ ἰαμβεῖόν ἐστιν. poet. 4. Und wer könnte es den 'iambischen' Versen der römischen Tragiker ansehen, daß - die Grundform des Jambus sei? Die Konsequenz der Definition des Taktes zieht das eingeschobene relativische Satzgefüge unde

socialiter: der Widerspruch, in den sich damit die Praxis der älteren römischen Bühnendichter gesetzt, knüpft mit hic . . apparet unmittelbar an pes citus an.

252. Zu verbinden ist iambeis nomen trimetris adcrescere iussit mit derselben Attraktion des 'Namens' und derselben Voraufnahme in der Wortstellung, wie in illi tardo cognomen damus sat. I 3, 57; iambeis ist nicht Dativ

nomen iambeis, cum senos redderet ictus
primus ad extremum similis sibi: non ita pridem,
tardior ut paullo graviorque veniret ad auris,
spondeos stabilis in iura paterna recepit
commodus et patiens, non ut de sede secunda

eines Adjektivs iambeus, welches
es nicht gegeben zu haben
scheint, sondern des Substanti-
vums iambeum, iaußetov, welches
in der ältesten Terminologie die
dramatische Zeile ebenso bezeich-
net (πρὸς τρισὶν ιαμβείοισι προσ-
οφείλων φανετ Aristoph. ran.
1133; τό τε μέτρον ἐκ τετραμέ-
τρου ἰαμβεῖον ἐγένετο Aristot.
poet. 4; rhet. III 1, 9, und regel-
mäßig bei Aristoteles), wie nowov
oder ausroov den epischen Vers,
τετράμετρα die trochaischen Lang-
zeilen, πεντάμετρος (Hermesianax
v. 36) die zweite Zeile des Disti-
chons. Entsprechend diesen letz-
teren die Takte zählenden und aus
der Musik stammenden Bezeichnun-
gen ist dann auch für den Bühnen-
vers die Benennung τρίμετρον
schlechtweg aufgekommen
schon bei Aristophanes πότερον
τὸ τρίμετρον ἢ τὸ τετράμετρον
nub. 642 in scheinbarem Wider-
spruch damit, daß derselbe doch
aus sechs Jamben besteht.
sen Widerspruch, noch auffallen-
der darum, weil nach der herr-
schenden Theorie der sechstaktige
daktylische Vers mit dem iambi-
schen dramatischen Vers von
Hause aus identisch ist (s. Einl.
zu den Oden S. 3), sucht H. da-
mit zu erklären, daß die ursprüng-
liche sechsfache Taktierung in-
folge der Schnelligkeit des Rhyth-
mus sich zu einer dreifachen ver-
einfacht habe: der iambus qui
senos reddidit ictus sei zu einem
pes ter percussus (sat. I 10, 43),
einem trimetrus geworden.
adcrescere, weil das nomen (tri-
metris) ursprünglich als ein zu-
sätzliches adgnomen gedacht wer-

Die

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den soll.

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iussit: der Jambus ist als die in dem einzelnen iambischen Takt verkörperte Seele des iambischen Rhythmus persön lich gedacht. Diese Personifikation setzt sich in redderet ictus.. recepit patiens. cederet socialiter fort und beherrscht den ganzen relativischen Zwischensatz bis 258. Dieser den iambischen Vers beseelende Rhythmus senos reddit ictus, gibt sechsmal den Taktschlag des taktierenden Dichters, der sexies percutit versum, wieder, wie in dem mythischen iὴ παιάν, ἰὴ παιάν, ἰὴ παιάν,

254. non ita pridem soll nicht vom Standpunkt der Gegenwart aus, sondern von dem durch iussit bezeichneten Zeitpunkt an bemessen werden: wie in dem ciceronischen Themistocles.. fuit regnante iam Graecia, nostra autem civitate non ita pridem dominatu regio liberata (Brut. 41), hätte H. auch sagen können non ita pridem spondeis receptis, hat es aber vorgezogen durch asyndetische Parataxe die Zulassung des Spondeus gegenüber der Änderung der Nomenklatur stärker hervorzuheben. Der Sinn ist also: als die Terminologie τρίμετρον für lauβεῖον aufkam, war noch nicht so lange die Reinheit des jambischen Rhythmus aufgegeben worden. Horaz erinnert sich daran, daß diese Bezeichnung nicht viel älter ist als das fünfte Jahrhundert Aristoph. nub. 642 ist für uns das älteste Beispiel: die Spondeen erscheinen zuerst bei Archilochos, aber einen Jambus hat es seit unvordenklichen Zeiten gegeben.

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