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den (Gell. XIV, 2. Macr. II, 14. Paull. V, 5 a, 3.), doch auch auf argumenta (rumores, fama u. s. w. Quint. V, 2, 3.) und praeiudicia, s. p. 909. Quint. V, 8-10. Auch konnte der Richter, wenn er durch die Beweise nicht ganz überzeugt war, die Richtigkeit derselben beschwören lassen (ius iurandum iudiciale) und die Parteien selbst bekamen später auch das Recht, den Eid sich zuzuschreiben (deferre und referre), namentlich wo es sich um strittige Thatsachen handelte. 2 Nach beiderseits vollendeter Beweisführung folgte die altercatio, 3 d. h.

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p. Quinct. 21. Quint. V, 7, 1 f. (nach Befinden eidlich, Cic. p. Rosc. c. 14. p. Clu. 60.). Diese wurden während der Reden vorgelesen (recitare test.) Cic. p. Rosc. C. 14. p. Arch. 4. und sehr oft in den Verrinen, auch p. Flacc. Oft bürgten die Zeugen nur für die Richtigkeit einer Abschrift, descriptum et recognitum, Orell. 3119. Cic. Verr. II, 77. Mommsen, im Leipz. Berichte 1851, p. 372 ff. Nicht alle Menschen waren fähig Zeugen zu seyn, z. B. nicht Sklaven, Unmündige, Wahnsinnige, die intestabiles (p. 132.) und die infames (theilweise p. 144.) Escher, p. 24-50. Ein Zwang zu zeugen bestand im Criminalprozess durch die denuntiatio (Cic. p. Flacc. 6. 8. 37. Schol. p. 236 Or.), aber nur bei einigen Civilklagen (namentlich bei einigen actiones populares) lex Jul. agr. 1. 1. Val. Prob. p. 1477 Goth. Ed. Venafr. in Mommsen, inscr. Neap. 4601. Escher, p. 63 -69. Justinian führte den Zwang bei allen Prozessen ein, Cod. IV, 20, 1. 16. 19. Malal. XVIII, p. 437 Dind. Es stand den Parteien frei, des Gegners Zeugen zu fragen (interrogare), um sie irre zu führen. Quint. V, 7, 31. Ps. Asc. p. 182 Or. Schol. Bol. 342 Or. In wie fern der Richter gebunden sey, den Zeugen Glauben beizumessen, gab es keine positiven Bestimmungen, indem alles auf die besonderen Verhältnisse und Eigenschaften der Parteien und Zeugen (Geburt und Civitāt, Cic. p. Flacc., Verr. und p. Scaur. oft. p. Font. 7. 9., Stand, Alter, Vermögen, Charakter u. s. w. Cic. p. Rosc. 1. 15. Quint. V, 7. Juv. III, 137 ff. Paull. V, 15, 1.) ankam. S. Escher, und Rec. von Mommsen, in Z. f. A. W. 1844, N. 58 f. Waller, p. 482 ff. Pauly, Real-Enc. VI, p. 1725 ff.

Urkunden (litterae, tabulae, instrumenta, codices expensi et accepti, rationes d. h. Geschäftsbücher s. p. 677 ff. documenta, scripturae) haben beweisende Kraft, sobald aus ihnen klar wird, dass sich die eine Partei zu etwas obligirt hat (namentlich bei Geldforderungen. Cic. p. Scaur. 9. 18. p. Flacc. 17. p. Arch. 4. p. Rosc. C. p. 683. Macrob. Sat. XIV, 2. II, 12. Orelli - H. n. 6432.) Ueber die Beweise ex scripto überhaupt s. Cic. part. orat. 37 ff. ad Her. I, 11. de inv. II, 40–51. Quint. V, 5.

* Dig. XXII, 3, 1. 25. §. 3. de rei veritate. Dig. XII, 2, 1. 34. §. 9. 1. 1. 31. Sen. contr. III, praef. Quint. V, 6. Cod. IV, 1, 1. 9. v. Savigny, Syst. VII, p. 78-84.

Cic. Brut. 44. Dass altercatio sich nicht auf die interrogatio testium

der kürzere Streit der Parteien oder ihrer Advokaten, um noch einmal die Hauptsachen (capita rerum) geltend zu machen. Zuweilen kamen während des Prozesses Zwischensprüche (interlocutiones, praeiudicia) vor, welche sich aber nur auf die Leitung des Prozesses bezogen, Gell. XIV, 2. Dig. XLII, 1. Cod. VII, 44.

Fünfzehntes Capitel.

Das Urtheil mit litis aestimatio und compensatio.

Hatte der Richter sich von der ganzen Sache gehörig (nicht so, wie Macrob. Sat. II, 12. schildert) überzeugt, und die nöthigen Vorbereitungen vollendet, so schritt er zum Urtheil; denn er war gezwungen zu entscheiden, wenn er nicht vorzog die Sache ganz abzugeben. Er entschied theils selbstständig, theils nachdem er sich mit seinem consilium berathen hatte (ire in consilium, Cic. p. Quinct. 10.) und condemnirte den Beklagten zur Zahlung der vorher bestimmten Summe oder absolvirte ihn, oder adjudicirte ganz nach Vorschrift der Formel. Bei actiones arbitrariae erhielt der Beklagte zuerst eine Aufforderung zur Restitution, s. p. 904.2 Die Fassung des Urtheils war nicht vor

bezieht, sondern nur ein patronorum inter se certamen ist, zeigt klar Quint. VI, 4, 21. und das ganze Capitel.

1 Durch den Schwur sibi non liquere kam der Richter von der Entscheidung los, Gell XIV, 2. und ein neuer Richter wurde bestellt. Dieses hiess translatio (Umstellung) iudicii (s. p. 912.), obwohl dieses Wort einen weiten Umfang hat und jede Veränderung des Personals, sowohl der Richter als der Parteien in sich fasst, z. B. wenn eine Partei stirbt u. s. w. Regelmässig war dabei eine Aenderung der Formeln durch den Magistratus nach vorgängiger causae cognitio nöthig, Dig. V, 1, 1. 57. III, 3, 1. 17 — 27. 1. 42. §. 7. 1. 46 pr. u. s. w. Keller, p. 293 ff.

2 Dieser Ausspruch heisst wie andere vorbereitende Aussprüche (z. B. bei praeiudicia) pronuntiatio (obwohl dieses Wort im w. S. auch jede richterliche scntentia bezeichnete), Dig. II, 4, l. 8. §. 1. XII, 6, 1. 58. 67 pr. L, 16, 1. 46 pr. XLII, 1, 1. 26. (s. Lexica), Wetzell, Vindik. p. 107 ff. 178 ff. Zachariae v. Lingenthal in Z. f. R. W. XIV, p. 95—126. Keller, Proz. p. 116. Es mag überhaupt oft vorgekommen seyn, dass der Beklagte der Condemnation durch Befriedigung des Klägers zuvorkam. Ob in einem solchen Falle allemal Absolution des Beklagten erfolgen müsse, war bei den Römern ursprünglich strittig. Gai. IV, 114. superest ut dispiciamus, si ante rem iudicatam is cum quo agitur, post

geschrieben, aber der Ausspruch erfolgt mündlich in Gegenwart der Parteien. 2 Dann ist die Funktion des Richters beendigt und er kann den von ihm gefällten Spruch durchaus nicht ändern, Dig. XLII, 1, 1. 55. Da die Condemnation auf eine bestimmte Geldsumme lauten musste, so hatte der Richter, sobald die Summe nicht schon in der Formel stand, litis aestimatio vorzunehmen, s. p. 915., Cic. in Clod. et Cur. 6. Caes. b. g. V, 1. Gell. IV, 4. Dabei konnte es zum Eid kommen, nemlich wenn der Beklagte sich hatte dolus oder contumacia zu Schulden kommen lassen, so konnte der Kläger die Grösse der Summe eidlich versichern. - Die Summe, auf welche der Richter condemniren wollte, erlitt zuweilen durch die compensatio, welche acceptum iudicium satisfaciat actori, quid officio iudicis conveniat, utrum absolvere, an ideo potius damnare, quia iudicii accipiendi tempore in ea causa fuit, ut damnari debeat: nostri praeceptores absolvere cum debere existimant, Sabino et Cassio placere omnia iudicia esse absolutoria. Aus den folgenden lückenhaften Worten ergiebt sich wenigstens, dass die Proculianer diese Ansicht nur rücksichtlich der bonae fidei und wohl auch der arbitrariae actiones theilten, wo es ganz nothwendig war, sonst aber bestritten. Die erste Meinung trug den Sieg davon, s. Schrader, zu Inst. IV, 12, 2. und vorzüglich Keller, p. 285–293. R. Römer, das Erlöschen des kläg. Rechts nach d. Einleit. d. Proz. Stuttg. 1852. Den Vergleich s. p. 735. u. Cic. p. Rosc. C. 9. p. 692.

1 Jedenfalls war sie kurz und bündig (Dig. XLII, 1, 1. 59 p.), häufig mit Anwendung des Wortes videri, Cic. p. Tull. 12. Acad. IV, 47. de har. resp. 7. p. Font. 9.

2 Paull. V, 5a, 6. Dig. XLII, 1, 1. 47 pr. 60. Cod. VII, 43. Später wurde schriftliche Abfassung vorgeschrieben, Cod. VII, 44, 45. Cod. Tb. IV, 17. XI, 30, 1. 40. Die Parteien erhielten dann auch eine Copie, Symm. ep. X, 48. Lyd. d. mag. III, 11. S. die Sentenzen p. 20.

* Dig. XII, 3. Cod. V, 53. Cic. p. Rosc. Com. 1. Der Richter ist aber nicht streng an die Summe des iusiur. gebunden, Dig, XII, 3, 1. 4. §. 2. 3. 1. 5. §. 1 ff. Schröter, in Z. f. Civilr. u. Proz. VII, p. 356-413. Spåter konnte das Urtheil auch auf die Sache selbst gehen, aber immer auf etwas bestimmtes, Inst. IV, 6, 32.

4 Compensare heisst zusammenwägen, dann gegeneinander abwȧgen, abrechnen, ausgleichen, und Compensatio nach Modest. Dig. XVI, 2, 1. 1. est debiti et crediti inter se contributio. Dig. XVI, 2. Cod. IV, 31. Hasse, in Archiv f. civ. Pr. VII, p. 145-207. BH., im Rhein. Mus. I, p. 257-285. Z., p. 308-311. A. O. Krug, d. Lehre v. d. Compens. Leipz. 1833. F. Hartter, das ord. R. der Comp. München 1837. und Z. f. Civilr. u. Pr. XIX, p. 143–197. A. Brinz, Comp. Leipz. 1849. v. Scheurl, Beiträge N. VII. Dernburg, Comp. Heidelb. 1854. A. Brinz, in Bekker u. Muther deutsch. Jahrb. I, 1, p. 24-40.

ebenso wie litis aestimatio vor dem Urtheil ins Reine gebracht seyn musste, einen mehr oder minder grossen Abzug. Unter Compensatio versteht man nemlich das auf aequitas begründete Recht auf Verbindung verschiedener Forderungen zweier in Obligationsverhältnissen verflochtener Personen, so dass die eine Forderung durch die andere ganz oder theilweise aufgerechnet wird. Im letzten Fall bleibt nur der Ueberschuss der einen Forderung über die andere übrig und das unnütze Hinund Herzahlen wird erspart.

1 Als Bedingung der Anwendbarkeit der Compensation galt, dass die Forderungen eiusdem generis et naturae (veluti pecunia cum pecunia compensatur) und dass beide Forderungen praesenti die fällig sein mussten, Gai. IV, 66–68. Dig. XVI, 2, 1. 7 pr. Paull. II, 5, 3. Im ältern röm. Recht gab es Compensatio nur bei bonae fidei negotiis und nur ex eadem causa, d. h. wenn beide Forderungen aus demselben Geschäft entstanden waren. Der Beklagte brauchte da die Gegenforderungen nicht in iure, sondern erst in iudicio vorzubringen, so dass der Richter ex officio auf die Gegenforderung Rücksicht zu nehmen gezwungen war p. 904. Gai. IV, 63. Eine besondere Bestimmung existirte für die Klagen der Argentarii (p. 686 f.), der zufolge der Kläger, wenn der Beklagte eine Gegenforderung hatte, dieselbe schon vor der Litiscontestation abziehen und sich in der Intentio der Formel auf den schuldigen Rest beschränken musste (d. h. den Saldo), oder Gefahr lief, das Ganze zu verlieren (causa cadere wegen plus petitio) Gai. IV, 64. 66. 68. Hasse, p. 176 ff. BH., p. 281 ff. Bei actiones stricti iuris musste die compensatio in iure gefordert und als Exception in die Formel gesetzt werden. Inst. IV, 6, 30. et in stricti iuris indiciis, ex rescripto divi Marci, opposita doli mali exceptione compensatio inducebatur. Dernburg, p. 186 ff. v. Scheurl, p. 161 ff. Brinz oftm. Rudorff, zu Puchta III, p. 138 f. Justinian gab der Comp. eine noch weitere Ausdehnung, s. Inst. a. a. O. Ueber die Wirkungen der comp. und über das schwierige ipso iure compensare (Dig. XVII, 2, l. 10 p. u. a.), welche Untersuchung diesem Buch fern liegt, s. die oben erw. Schriften und Brinz. Verschieden von comp. war das Institut der deductio bei bonorum emtio, Gai. IV, 65 ff., WO auch Gegenforderungen anderer Art (Geld, Getraide, Wein etc.) ästimirt und abgezogen wurden. Diesen Abzug musste nemlich der bon. emtor, welcher die activen Schulden des Defraudator einklagte, vornehmen, wenn der zu Belangende von ihm als Gemeinschuldner zu fordern hatte. BH., p. 280 f. Dernburg, emtio bon. p. 147. v. Scheurl, p. 155.

Sechszehntes Capitel.

Wirkungen des Urtheils. 1

Durch die Verkündigung der sententia ist der Prozess beendigt und aus dem Rechtsstreit ist ein Rechtssatz hervorgegangen, welchem Geltung zukommt, res iudicata.2 So wie es nach der litis contestatio hiess condemnari oportere, so hiess es jetzt: iudicatum facere oportere (s. p. 918.), denn res iudicata pro veritate accipitur, Dig. L, 17, 1. 207. I, 5, 1. 25. Der in der Klage anhängig gemachte Anspruch ist erloschen, denn dieselbe Klage darf einem alten Rechtsprinzip zufolge nicht wieder begonnen werden. Die Wiederholung der Sache wird bei iudicia imperio continentia durch die exceptio rei iudicatae oder rei in iudicium deductae gehindert, das Urtheil mag condemnirend oder ab

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Keller, Litiscont. p. 179-410. und Proz. p. 303–312. Ihm folgt Z. p. 413 ff., aber a. M. ist Mayer, Lit. cont. I. v. Savigny, Syst. VI, p. 257-481. 501-513. E. I. Bekker, d. prozessual. Consumption. Berlin 1853. und Rec. v. Dernburg, in krit. Zeitschr. II, p. 339–362.

2 Judicatum (Cic. de inv. I, 30. 44. II, 22. 54. ad Her. II, 13.) oder gewöhnlicher res indicata (Cic. Top. 5. Verr. II, 29. V, 6. p. Clu. 38. 41.) bezeichnet, die rechtskräftig entschiedene Sache, Dig. XLII, 1, 1. 1., zuweilen auch das Urtheil selbst, Cic. p. Clu. 42. de 1. agr. II, 3. Phil. XI, 5. Dig. XXXVI, 1, 1. 65. §. 2. XXVII, 9, 1. 3. §. 3 Vgl. Lis fullon. (p. 20.).

Der uralte Rechtssatz: bis de eadem re agere ne liceat, steht Quint. decl. 266. Donat. ad Ter. Ad. II, 2, 24. Andr. III, 1. 7. Gai. IV, 108. vgl. 98. 106. Dig. XLIV, 2, 1. 3. Zur Zeit der Formeln konnte bei legitimum iudicium in civil-persönlicher Klage ipso iure de eadem re nicht zweimal geklagt werden; aber bei Formeln in rem oder in factum und bei dem iudicium imperio continens: ipso iure de eadem re agi potest et ideo necessaria est exceptio rei iudicatae vel in iudicium deductae, Gai. IV, 106 ff. III, 181. Diese exceptio entkräftete also die neue Klage, wenn sie nicht schon an sich unwirksam war, Bekker, p. 21 ff. Die Formel war: si ea res iudicata non sit inter me et.... Dig. XLIV, 2, 1. 9. l. 11. §. 3. 1. 24. Die eadem res, über welche eine zweite Klage nicht erhoben werden durfte, heisst dasselbe Rechtsverhältniss und dieselbe Rechtssache (gleicher Rechtsgrund und gleiches Objekt), Dig. XII, 2, 1. 28. §. 4. XLIV, 2, 1. 3. 7. 12 ff. 27. S. über diese Frage v. Savigny, VI, p. 285 ff. Keller, p. 308 ff. Puchta, II, p. 193 ff. (213 ff.). Bekker, p. 43 ff. Dernburg, in krit. Ztschr. II, p. 343-347. Dass die Consumption nicht durch eine in der Litiscontestation enthaltene Novation bewirkt werde, zeigt Bekker, p. 284 ff. 300 ff. und beistimmend Dernburg, p. 342 f. Die röm. Juristen verglichen

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