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den Cognaten treten die Affinen zurück und von diesen ist nur der überlebende Gatte des Erblassers berechtigt. In der späteren Zeit werden die Beschränkungen der Angehörigen des Libertus gegenüber dem Patronatsrecht immermehr beseitigt.1

Sechstes Buch.

Actionenrecht. 2

Die Einrichtung der Staaten gestattet den Staatsbürgern Aus

1 Theodosius und Valentinian bestätigten zwar das Erbrecht des Patrons, entzogen es aber den Erben des Patrons, wenn der Libertus Descendenten besass und liessen ihnen den Anspruch auf die Hälfte, wenn der Libertus freie Eltern und Geschwister hatte, Nov. Valent. III. Justinian beschränkte das Patronatsrecht noch mehr, Cod. VI, 4, 1. 4. Auch hörte durch ihn die 4., 5. und 7. Classe ganz auf, Inst. III, 9 (10), 5. 6. Hatte der Libertus keine leiblichen Kinder, so blieben Patronus und Patrona erbberechtigt, dann deren leibliche Kinder, endlich deren Seitenverwandte bis zum 5. Grade,

Die Auffindung des Gaius war für diese Lehre Epoche machend, so dass alle vor diesem Ereigniss geschriebenen Bücher sehr mangelhaft sind, z. B. F. Polleti, hist. fori Rom. ed. P. Broidaeus. Duac. 1572. zuletzt 1691. C. Sigonii de iudiciis libri III. Bonon. 1574. Neu v. I. G. Graev. Hal. 1715. und in Opp. V. C. Breti ordo perantiq. iudic. Paris 1604. C. Cellarii, de processu iur. Rom. Hal. 1698. Viteb. 1733. Heinecc. synt. S. 657-741. Nach Gaius, dessen 4tes Buch von E. Dupont (Lugd. Bat. 1822.), A. G. Heffter (Berol. 1827) und theilweise von Huschke (s. p. 81.) commentirt worden ist, sind ausser mehren wichtigen an den betref fenden Stellen angeführten Büchern, folgende Werke über den ganzen Prozess erschienen: Zimmern, röm. Civilproz, Heidelb. 1829. Bethmann Hollweg, Gerichts verf. und Prozess I. Bonn 1834. (eine geist und lichtvolle Uebersicht des späteren Prozesses, mit vielen Rückblicken auf die alte Zeit; der Kürze wegen citire ich BH. und Z. statt Zimmern). F. B. Bonjeau, traité des actions. Paris II. 1845. Lebastard - Delisle, précis de l'administr. de la iustice chez les Rom. F. L. Keller, der röm. Civilproz. Leipz. 1852. 1855. G. W. Wetzell, Syst. des ord. Civilproz. Leipz. 1854. C. G. A. v. Scheurl, Anleit. z. Studium des rom. Civilproz. Erlangen 1855. Schilling, Inst. II, p. 327–443. Puchta, Instit. II, p. 1–260. (p.1 -286.) Walter, R. G. II, p. 302-403. Actio, welches Wort eigentlich eine Handlung und Thätigkeit im w. S. bezeichnet (Dig. XLVIII, 1, 1. 7.), ist dann 2) für Verhandlung gebraucht worden, z. B. legis actio, 3) als

übung der Selbsthülfe nicht und hat dafür Hülfe verliehen durch actiones, d. h. durch die Mittel, vermöge deren das Recht der Bürger unter einander geltend gemacht werden kann. Cic. p. Caec. 2. Zu diesem Behuf wird der Staat durch Behörden repräsentirt (magistratus), welche die von den Einzelnen geltend gemachten Rechte schützen. Bedingt ist die Staatshülfe: 1) durch die Rechte, die der Staatsverein anerkennt, 2) durch die Wahrheit, d. h. die Ueberzeugung, dass ein Rechtsverhältniss wirklich besteht, dessen Schutz verlangt wird. Daher ist dieses zu erweisen (probare) und daraus entspringen die prozessualischen Verhandlungen (agere), als da sind die Vorträge der Parteien, das Vorlegen von Beweisen, die Entscheidung des Staats durch das Organ der Richter, und zuletzt sogar thatsächliche Hülfe (executio).

Mit Allem diesen macht uns das Actionenrecht bekannt, welches wir in 4 Abtheilungen behandeln, und zwar in der 1) Abtheilung von den im Actionenrecht vorkommenden Personen, 2) von dem gewöhnlichen Verfahren, 3) von dem aussergewöhnlichen Verfahren (extra ordinem), 4) von den Rechtsmitteln; und bemerken nur im Allgemeinen, dass das römische Actionenrecht von den ersten Zeiten seiner Entstehung bis zum Untergang des römischen Reichs in 3 Hauptperioden zerfällt. Das älteste wenig bekannte Verfahren beruhte auf den legis actiones, welche erst allmälig durch die Formulae verdrängt wurden. Dieses Verfahren war auf Trennung der richterlichen und Magistratsgewalt gegründet, und bestand aus der einleitenden Verhandlung

eine in gewissen positiv vorgeschriebenen Formalitäten vorzunehmende Handlung, um das streitige Recht geltend zu machen, Prozessmittel, a) im w. S. jede Rechtsverfolgung, Ulp. Dig. XLIV, 7, 1. 37 pr. XLIV, 1, 1. 1. b) im e. S. die Klage, unterschieden von anderen Rechtsmitteln, Paull. Dig. L, 16, l. 8. §. 1. III, 3, 1. 35. §. 2. l. 39 pr. c) im engsten Sinne die persönliche Klage, Dig. L, 16, 1. 178. §. 2. XLIV, 7, 1. 28. 4) das Klagerecht, ius actionis Quint. III, 6, 73. Cels. Dig. XLIV, 7, 1. 51. Inst. IV, 6, pr. 5) das Formular von Rechtsgeschäften, besonders für Prozessformeln, Cic. de or. I, 57. Hostilianae actiones I, 41. Top. 17. ad Att. VI, 1. Dig. I, 2, 1. 2. §. 6. 7. Ueber actio s. H. a Vianen, de concursu act. in Oelrichs, nov. thes. I, p. 261 f. B. Windscheid, die actio des röm. Civilproz. Düsseld. 1856. Böcking, Pand. I, p. 501 ff.

1 Dig. L, 17, 1. 176 pr. IV, 2, 1. 13. Rudorff, in Z. f. g. R.W. VII, p. 107 ff. Böcking, I, p. 490 ff.

vor dem Magistrat (in iure) und aus der ausführlichen Untersuchung und Entscheidung vor dem Richter (in iudicio). Diese Trennung ist das charakteristische Merkmal des ordo iudiciorum privatorum, des ordentlichen Civilprozesses. Die 3. und letzte Veränderung des römischen Gerichtswesens erfolgte allmälig vom 1. Jahrhundert n. C. an, bis der alte ordo iudiciorum privatorum im 3. Jahrhundert gänzlich abgeschafft wurde (durch Diocletian, Cod. III, 3, 1. 2.) und dafür ein Verfahren an die Stelle trat, bei welchem der Magistrat selbst untersuchte und entschied (extra ordinem), welches bis dahin nur ausnahmsweise geschehen war. Die damit verbundenen Veränderungen der in ius vocatio, s. Cap. 12., der litis contestatio, s. Cap. 13., der Exekution, s. Cap. 14., nur in minder wichtigen Sachen konnten iudices pedanei, die Stelle der alten iudices dati vertretend, statt des Magistrats entscheiden. Sie empfingen aber keine Instruktionsformel, leiteten den Prozess von Anfang bis zu Ende und waren wirkliche Gehülfen des Magistrats, Cod. III, 3. 1

Erste Abtheilung.

Von den Personen des Prozesses.

Sowie das ganze Verfahren in zwei Theile zerfällt in iure (vor dem Magistrat) und in iudicio (vor dem Richter); so ist auch das Personal zu scheiden in Magistraten und richtende Privatpersonen.

Erstes Capitel.

Magistratus.

Die höheren Magistratus hatten von jeher vermöge des imperium auch iuris dictio, 2 d. i. Civilgerichtsbarkeit, und durften

Die richtige Bedeutung (gegen Raevard, coni. III, 10. und Z., p. 50 ff., dass iud. ped. Municipalmagistrate gewesen) zeigt BH. p. 135 —152 aus Dig. XXVI, 5, 1. 4. Der Name, entlehnt von den senatores pedanei, bezeichnet nur ihre niedere Stellung. Pauly, RE. IV, p. 362 f.

2 Von diesem alten w. S. des Worts spricht Ulp. Dig. II, 1, 1. 1. ius dicentis officium latissimum est, nam et bonorum possessionem dare potest,

nicht blos richten und Richter bestellen, sondern auch andere Geschäfte vornehmen und vor sich vornehmen lassen (wie Adoption, Manumission, Emancipation), und die Privatverhältnisse reguliren durch Verleihung von interdicta, Ertheilung von bonorum possessio, missio in bona u. s. w. Gegen das Ende der Republik wurde die richterliche Gewalt der städtischen Magistrate sehr beengt ùnd nun bot sich Veranlassung, die Befugnisse zu spalten und auf verschiedene Quellen zurückzuführen. Es bildete sich a) ein engerer Begriff der iurisdictio (die sogenannte contentiosa), welche blos in dem eigentlichen ius dicere bestand, d. h. die Anordnung des Ordinarverfahrens, ohne legis actio u.'s. w. b) Daneben bestand die iurisdictio der höheren Magistraten in der alten Weise. Man erkannte aber richtig, dass die Befugnisse nicht sowohl in der speziellen iurisdictio lägen, als vielmehr in dem imperium und nannte dieses imperium mixtum. Ein praktisch wichtiger Unterschied lag darin, dass nur der Magistratus, welcher imperium mixtum besass, seine Gewalt ganz oder theilweise auf andere Personen, Magistraten wie Privaten, übertragen (mandare) durfte. 2

et in possessionem mittere, pupillis non habentibus tutores constituere, iudices litigantibus dare. 1. 2. Ganz dasselbe Recht hatten die hohen Magistraten der unabhängigen Städte in Italien. Dagegen die Jurisdiction der Aedilen zu Rom beschränkte sich lediglich auf Marktstreitigkeiten und Polizeisachen; dass man aber damals schon einen Unterschied gemacht haben sollte zwischen den Befugnissen der iurisdictio im e. S. und des imperium ist nicht recht glaublich. Es gab nur ein imperium und in diesem lagen die Competenzen des Feldherrn und Oberrichters vereinigt. L. Charondas, de iurisd. et imp. in Otto thes. I, p. 839-852. Z. p. 5 ff. BH. p. 36 f. 81 ff. Heffter, p. 38-46. Puchta, p. 9 ff. Keller, p. 6 ff. Vgl. Leist, bon. poss. I, p. 328 ff. System p. 82 f. Mommsen, d. Rechtsfrage zwischen Cäsar u. d. Senat. Bresl. 1857, p. 3 ff.

1 Ulp. Dig. II, 1, 1. 4. 1. 3. mixtum est imperium, cui etiam iurisdictio inest; quod (nemlich z. B.) in danda bonorum possessione consistit. Jurisdictio est etiam iudicis dandi facultas. Die mit dem imperium mixtum oder der einfachen iurisdictio Ausgestatteten durften zufolge besonderer Beleihung auch einen Vormund bestellen u. s. w. s. p. 517.

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tri

2 Papin. Dig. h. t. I, 21, l. 1 pr. quaecunque specialiter vel lege buuntur (also z. B. tutoris datio), mandata iurisdictione non transferuntur; quae vero iure magistratus competunt, mandari possunt. §. 1. 1. 2. §. 1. Dig. II, 1, 1. 17. Das Mandiren war in den Provinzen sehr häufig (an Legaten und Quästoren), Cic. ad Att. V, 21. ad div. II, 15. p. Lig. 1. Suet. Caes. 7. Dig. I, 16, 1. 4. §. 6. 1. 5. 1. 12. 13. Auch bekamen die Municipal

Die höheren Magistraten der früheren Zeit waren der König, die Consuln, die Prätoren, die Provinzialstatthalter, die städtischen Magistraten; in der Kaiserzeit der Kaiser und seine Praefecti urbi und praetorio, sowie die Prätoren, später die Consulares und Juridici für Italien, die Statthalter.

1) Rex. In der alten Zeit war der König Richter und entschied theils selbst, theils beauftragte er Privatpersonen.' Von ihm ging die ganze Macht (Liv. II, 1. IV, 3.), also auch das Richteramt über auf 2) die Consules, welche ebenfalls entweder selbst entschieden oder Richter beauftragten, Liv. III, 9. Dion. VI, 24. VII, 34. X, 1, 5. 7. 19. Dig. I, 2, 1. 2. §. 16. Deshalb wurden sie vor Alters auch iudices genannt, Varro 1. 1. VI, 88. Liv. III, 55; die interreges, dictatores und tribuni militares consulari potestate hatten als die höchsten Magistraten natürlich dasselbe Recht, sowie die Decemviri legibus scribendis; 3) der Praetor erhielt 367 v. C. die gesammte Jurisdiktion in Rom, bis 247 v. C. der Peregrinenprätor hinzutrat; 2 4) die höchsten städtischen Magistrate, wie dictator, praetor, duumviri und quatuorviri iuri dicundo, Orelli-Henzen indices p. 154 ff. In einigen Orten hatten Aediles die höchste Stelle, also auch die Jurisdiktion, aedilis iuri dic. u. a. Orelli 3787. 3979. 3433. In manchen Städten gab es auch praefecti als rechtssprechende Magistratus. Die speziel

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magistraten Auftrag, Dig. XXXIX, 2, 1. 1. Dass der Bevollmächtigte die ihm übertragene Gewalt nicht Anderen mandiren darf, versteht sich von selbst. Dig. I, 21, 1. 5. I, 17, 1. 12. BH., p. 46 ff. Puchta, p. 13 ff.

1 Cic. de rep. II, 21. V, 2. Liv. I, 40. Dion. II, 9. 14. IV, 36. 41. III, 73. Zon. VII, 8. Dernburg, krit. Jahrb. I, p. 459 f.

Der erste hiess nun praetor urbanus oder urbis, welcher die iurisdictio inter cives in der Stadt hatte, Liv. XXXIII, 21. (iurisdictio oder provincia urbana, Liv. das. 26 u. oft. Dig. I, 2, 1. 2. §. 27.), der andere entschied die Streitigkeiten der Fremden unter sich und mit den Römern. Von ihm sagt lex Rubr. I, 24. 34. inter cives et peregrinos ius dicit, auch lex Servil. und Fest. in sacramentum p. 347. M. Orelli-Henzeu n. 6428, Liv. XXII, 35. XXXIII, 36. XLV, 12. 16. Jurisdictio inter peregrinos s. Liv. XLI, 21. XLII, 10. 31. Sein Amt h. peregrina provincia, sors oder iurisdictio, Liv. XXIII, 30. XXIV. 44. XXV, 3. XXVII, 36. XXVIII, 10. XXIX, 13. XXX, 1. Gell. X, 6. In der Kaiserzeit wird er schlechtweg praelor peregrinus genannt, Orelli n. 2369. 2760.3137, 5425. Dig. I, 2, 1. 2. §. 28. Ueber das Amt selbst s. Cic. de leg. III, 3. Liv. X, 22. VII, 1. XXIII, 32. u. s. w.

8 a) Vor Alters in nahen Colonien und Municipien, welche Prae

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