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Fideicommissum, '

enthält eine in einer Bitte an den Erben, Intestaterben oder Legataren gekleidete Verfügung über eine Sache, die der Erblasser gern einer dritten Person zuwenden möchte. Dazu bedient er sich der Worte fideicommitto, 2 und stellt sie also der fides der Erben anheim, weshalb dieser fiduciarius genannt wurde, Orell. 3524. 3

Die Fideicommisse waren eine Schöpfung des freien Rechtsprincips, erfunden um das starre Civilrecht zu umgehen und solchen Personen etwas zuzuwenden, welche nach strengem Civilrecht gar nicht bedacht werden konnten, weil sie keine testamenti factio hatten, oder wenigstens durch Erbschaft oder Legat nicht so viel erhalten durften, als man wünschte. Objekt des Fideicommisses konnten alle die bei Legat erwähnten Gegenstände seyn und nicht blos einzelne Dinge (Inst. II, 24 pr. Val. Max. IV, 2, 7.), sogar fremde Sachen (Inst. II, 24, 1.), sondern

klar spricht Inst. II, 22, 3. Orell. 3116. Der Testator konnte die Anwendung der lex Falcidia nicht verbieten, was erst Justinian gestattete, Nov. 1, c. 2. CXIX, c. 11. — Lex Falcidia wurde durch das Scons. Pegasianum auf Fideicommisse und durch Antoninus Pius auf Intestaterben ausgedehnt, s. unten.

1 C. Chifletius, de iure fideic. Lugd. B. 1584. und in Otto, thesaur. p. 796-872. T. Martin, lanc. sat. discrim. inter legat. fideic. Gott. 1787. Heineccius, synt. p. 475 ff. ed. Haubold. D. v. d. Wynpersse, de fid. Rom. hist. Lugd. B. 1822.

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⚫ fideicommillo (test. Dasum. 1. 103. Orell. 4357. Spangenberg tab. neg. p. 62., davon der Name), peto (Spangenberg a. a. O. p. 66.), volo dari (Ulp. XXV, 2.), mando (Inst. II, 25, 3.). Darum nannte man die fideicommissa auch commendationes mortuorum, Cic. de fin. II, 17. 18. III, 20. Suet. Claud. 6.

Uebrigens war diese Bitte ganz formlos und konnte sowohl mûndlich als schriftlich (Ulp. XXV, 3. etiam nutu relinquere fideicommissum usu receptum est. Cic. de fin. II, 18.), sowohl in lateinischer als in einer anderen (Ulp. XXV, 9.) Sprache ausgedrückt werden. Schriftlich wurde die Bitte im Testament (testam. Dasum. a. a. O. Cic. de fin. II, 17.), meistens aber in Codicillen (s. oben p. 794.) niedergelegt.

* Z. B. peregrini (bis Hadrian, s. p. 778.), Latini Juniani (Gai. I, 24. II, 275. Ulp. XXV, 7. XXII, 3. XI, 6.), coelibes, orbi (bis zum Scons. Pegasianum), personae incertae (bis Hadrian, Gai. II, 284–287.), Proscribirte (Cic. Verr. I, 47. Val. Max. IV, 2, 7.), Frauen (zur Umgehung der lex Voconia, Cic. de inv. II, 17. 18. Plut. Cic. 41. Cat. min. 52. Quint. IX, 2, 73. 74. Gai. II, 274.).

auch ganze Erbschaftsmassen oder Quoten derselben. Die fideicommissarischen Freilassungen s. p. 576.

Die Ausführung der Fideicommisse beruhte bis August lediglich auf der Pietät des damit Beauftragten, und konnte gerichtlich nicht erzwungen werden. 2 Unter den Kaisern wurde dieses Institut, namentlich durch eine Reihe von Sconsulten vielfach erweitert, erfuhr aber auch manche Beschränkung. Sehr wichtig war das unter Nero gegebene Scons. Trebellianum (sogenannt von dem Consul Trebellius Maximus 62 n. C.), 3 welches bestimmte, dass der Erbschaftsfideicommissar, soweit er die Erbschaft erhält, auch als Erbe oder Miterbe angesehen werden sollte und dass die Erbschaftsklagen von ihm und gegen ihn angestellt werden dürften (actiones hereditariae pro rata parte

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So lesen wir bei Cic. de inv. II, 17. 18. dass der Erbe beauftragt wird, die ganze Erbschaft einer dritten Person zu geben (reddere bei Cic., bei den Juristen restituere genannt). Spätere Beispiele Gai. II, 248. 250 ff. Ulp. XXV, 14 ff. Dig. XXXVI, 1. Cod. VI, 49. Inst. II, 23. Ein solcher Fideicommissar wurde ursprünglich nur als Singularsuccessor angesehen (wie bei den Legaten) und konnte daher weder selbst klagen noch verklagt werden. Daher schlug man einen Umweg ein. Der Erbe übertrug die Erbschaft dem Fideicommissar durch Scheinkauf (nummo uno, dicis causa) mit gegenseitigen Stipulationen. Gai. II, 257. ad exemplum emtae et venditae hereditatis stipulationes interponendae sunt. Gai. II, 252. Rosshirt, I, p. 120-223. Ueber universelle Legate und Fideicommisse s. Mayer, 1, p. 34–52. Rudorff, p. 370–380. über fideicomm. Anordnung von Alimenten s. noch test. Dasum. 1. 86-102. 2 S. Cic. de fin. II, 17. und dagegen Ulp. XXV, 1. Instit. II, 23, 1. Augustus aber (Inst. II, 25 pr.) beauftragte die Consuln, Klagen über Fideicommisse extra ordinem, d. h. selbst zu untersuchen. Claudius bestellte zwei Prätoren zur Untersuchung der fideicommissarischen Angelegenheiten, desgleichen die Provinzialstatthalter, Suet. Claud, 23. Dig. I, 2, 1. 2. §. 32. ex quibus (praetoribus) unum divus Titus detraxit. Dieser praetor hiess deshalb fideicommissarius oder de fideicommissis, Orell. 3135. 6451. 6452. Gai. II, 278. Ulp. XXV, 12. Quint. III, 6, 70. Lyd. I, 48. Des Consul wird auch noch gedacht, nemlich nur für die höheren Summen, Quint. III, 6, 70. non debes apud praetorem petere fideicommissum, sed apud consules; maior enim praetoria cognitione summa est. Die Praesides entschieden in der Provinz, Ulp. a. a. O., und seit dem Scons. Articuleianum sogar dann, wenn der Erbe nicht dieser Provinz angehörte, Dig. XL, 5, 1. 51. §. 7.

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3 Dig. h. t. XXXVI, 1. Paull. IV, 2. Cod. VI, 49. Gai. II, 253. Ueber die Klagen des Fideicommissars, sowohl actiones utiles, als hereditatis petitio s. Dig. V, 6. Inst. II, 23, 4. Rudorff, R. G. p. 114 f.

dantur, Gai. II, 254. 255.), wie wenn er Erbe wäre (quasi heres). Dadurch wurden die oben erwähnten Stipulationen überflüssig, Gai. II, 254. und der fiduciarische Erbe befreit, was ganz billig war, denn sonst würde er von seiner fides nur Schaden haben. Darauf wurde, wahrscheinlich unter Vespasian, zur Sicherung der Fideicommisse durch das Scons. Pegasianum (sogenannt von dem Consul Pegasus, Gai. II, 254.), die Bestimmung der lex Falcidia für die Legate auf die Erbschaftsfideicommisse ausgedehnt. 1 Zugleich verfügte das Scons. Pegasianum, dass der Erbe von dem Fideicommissar vor dem Prätor gezwungen werden konnte, die Erbschaft anzutreten und ohne Abzug dem Fideicommissar zu übertragen. Dann wurde Jener weder aktiv noch passiv als Erbe betrachtet, sondern der Fideicommissar, und Stipulationen waren nicht nöthig. 2 Das Scons. Rubrianum, Dasumianum, Vitrasianum und Juncianum, s. p. 577 f. Das Apronianum, s. p. 173. Das Scons. Plancianum gebot, dass wenn Jemand in fraudem Fideicommisse an Unfähige zu zahlen versprochen hätte, ihm weder gestattet sey, quadrantem deducere noch caduca vindicare. Ulp. XXV, 17. Dig. XXXIV, 9, 1. 10. 1. 11. 23. XXXV, 2, 1. 59. §. 1.

Obwohl die Söhne Constantins die Beobachtung bestimmter Formeln bei den Legaten freigegeben und dadurch die Fideicommisse den Legaten näher gerückt hatten (Cod. VI, 37, 1. 21.), so bestand doch noch immer ein gewisser, wenn auch geringer Unterschied zwischen beiden Instituten fort. Dieser beruhte theils in der Form, je nachdem der Testator verba directa oder precativa brauchte, theils in den Personen, welche der Erbe mit der Ausführung seiner Aufträge betraute. Legate konnten nur 'den Erben, Fideicommisse auch anderen Personen auferlegt werden, s. oben. Justinian verschmolz beide Institute, indem er

Paull. IV, 3. Gai. II, 254. 256. 258. 259. Ulp. XXV, 14 f. Inst. II, 23, 5 f. Wenn der Erbe davon Gebrauch machte, so wurde der Fideicommissar wie ein legatarius partiarius behandelt und deshalb die alten Stipulationen partis et pro parte angewendet, was nicht nöthig war, wenn er gemäss des Scons. Trebellianum restituirte.

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Ulp. XXV, 16. si heres damnosam (ähnlich suspectam, nachtheilig und verdächtig) hereditatem dicat, cogetur a praetore adire et restituere totam, ita ut ei et in eum qui recipit hereditatem, actiones dentur, proinde atque si ex Trebelliano Scons, restituta fuisset. Gai. II, 258 f. Paull. IV, 4, 4. Inst. II, 23, 6.

dieselben zuerst in Beziehung auf die Klagrechte sich gleichstellte (Cod. VI, 43, 1.) und sodann ganz vereinigte, so dass es fortan juristisch nur noch ein Vermächtniss gab, wenn man auch die beiden alten Namen rücksichtlich der Formen noch beibehielt, was aber ganz gleichgültig war. Cod. VI, 43, 1. 2. Inst. II, 20, 3. Die Forderungen und Schulden sollten zwischen dem Erben und dem Vermächtnissnehmer stets pro rata getheilt seyn und die alten desfallsigen Stipulationen waren nun überflüssig. Inst. II, 23, 7 ff.

Viertes Capitel.

Entkräftung der Gültigkeit einer letztwilligen
Verfügung. 2

Obwohl die Testamente des öffentlichen Interesse halber möglichst aufrecht erhalten wurden (Dig. XXIX, 3, 1. 2 pr. 1. 5. publice enim expedit, suprema hominum iudicia exitum habere), so waren doch manche beschränkende Bestimmungen nothwendig und eine Reihe von Fällen wurde aufgestellt, in denen ein Testament ungültig war. Diese Ungültigkeit konnte theils sogleich von der Abfassung des Testaments an stattfinden, theils später eintreten. Jenes hiess testamentum nullum, iniustum, non iure factum (non iustum Quint. V, 14, 16.), dieses aber ruptum, irritum, destitutum (rescissum Quint. V, 2, 1.). Gai. II, 138–151. Ulp. XXIII, 1—5. Dig. h. t. XXVIII, 3. Inst. II, 17. Ein Testament kann ungültig seyn oder werden: I. Durch fehlerhafte Form, d. h. wenn die gesetzlich vorgeschriebene Form nicht beobachtet ist, Dig. XXVIII, 3. Dahin gehört auch der im Scons. Libonianum verpönte Fall, s. p. 791. II. Durch die Person des Testators: 1) wenn derselbe die testamenti factio bei Abfassung des Testaments nicht hat, oder, wenn der Status desselben sich durch eine der drei capitis deminutiones so verändert, dass er unfähig wird zu testiren, Gai. II, 145. Dig. XXVIII, 3, 1. 6. §. 5 ff. Ulp. XXIII, 4. vgl. Tac. Hist. I, 48. Eine Ausnahme erleidet diese Regel bei dem,

1 Rosshirt, I, p. 74-119. Mayer, I, p. 22–52. Marezoll, Zeitschr. f. Civilr. IX, p. 247–310.

2 Rosshirt, testam. Erbrecht I, p. 512-566. Puchta, Instit. III, p. 242 (248) ff. Walter, II, p. 296 ff.

der in feindlicher Gefangenschaft stirbt durch lex Cornelia, s. p. 554. 2) Durch veränderte Anordnung und Widerruf: a) indem der Testator sein Testament ganz vernichtet oder durch Ausstreichen und Zerschneiden als ungültig bezeichnet (tabulae incisae oder cancellatae, zerschnitten oder gitterartig durchstrichen), Dig. XXXVIII, 6, l. 1. §. 8. XXVIII, 3, 1. 20. Val. Max. VII, 8, 4., vgl. Dig. XXVIII, 4. b) Durch Errichtung eines neuen gültigen Testaments (mutare testamentum, Cic. p. Clu. 11. 64. de or. I, 38. Sen. ep. 19. Ulp. XXIII, 2.), denn das neuere hebt das alte auf, Gai. II, 144. Inst. II, 17, 2. Quint. decl. 308. testamenta ultima rata sint. c) Ein anderer Widerruf ist unwirksam und hebt das vorhandene Testament nicht auf. III. Durch die Person des Honorirten kann ein Testament ungültig werden: 1) wenn der berufene Erbe die Erbschaft aus Unfähigkeit nicht annehmen kann (Dig. XXVIII, 5, 1. 49. §. 1. Inst. II, 4.), oder nicht annehmen will (repudiare, abstinere), denn das Ausschlagen stand jedem frei, mit Ausnahme des Sklaven (s. p. 576.). Sobald keiner annehmen kann oder will, so wird die Erbschaft von Neuem deferirt und zwar entweder den Erben des eingesetzten Erben, wenn dieser vor Antreten der Erbschaft gestorben seyn sollte (sogenannte transmissio, s. p. 799.), oder denen, welche vom Testator substituirt sind. Wenn auch diese nicht wollen, so verliert das Testament alle Gültigkeit und die Reihe kommt an die Intestaterben. 2) Durch Mangel in der Erbeinsetzung: a) durch Präterition eines suus, s. unten, b) durch spätere Entstehung eines präterirten suus (agnatio posthumi). In beiden Fällen wird das Testament entkräftet, rumpitur, c) durch Anfechtung und Umwerfung des Testaments von solchen Personen, die im Testa ment nicht so bedacht worden sind, wie sie erwarten durften (testamentum inofficiosum), s. unten. 3) Hierher gehört auch die sogenannte Indignität. Mehre Gesetze (zuerst lex Julia und Papia Poppaea), Sconsulta und kaiserliche Constitutionen entzo

1 Dig. XXIX, 1, 1. 36. §. 3. Inst. II, 17, 7. Honorius aber erklärte, durch einen Verlauf von 10 Jahren werde das Testament ungültig, Cod. Theod. IV, 4, 1. 6., was Justinian dahin vervollständigte, dass diese Frist nur dann aufhebende Kraft habe, wenn der Testator dasselbe während dieser Zeit vor 3 Zeugen oder vor Gericht widerrufen habe, Cod. VI, 23, 1. 27. A. F. Schott, ad orat. Pertinac. de test. post. Lips. 1765 und in opusc. p. 41–84.

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