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2. Metus.

Denen, welche nicht durch freie Willensbestimmung, son dern durch metus zu einer Rechtshandlung veranlasst worden waren, z. B. zum Eingehen einer Stipulation half L. Octavius (79 v. C., Prätor und 75 v. C., Consul, Cic. Verr. I, 50.), durch das Edikt: quod vi metusve causa gestum erit ratum non habebo, aus welchem später das Wort vi. wegfiel, Ulp. Dig. h. t. 1. 1. Die zu Gunsten des durch metus Beeinträchtigten gegebene Klage hiess formula Octaviana, welche der Benachtheiligte oder dessen Erbe anstellen kann (Ulp. Dig. h. t. l. 16. §. 2. 1. 14. §. 2. ), und nicht blos gegen den, welcher den Zwang ausgeübt hat, sondern gegen dessen Erben (Dig. h. t. 19.) und überhaupt ge

1 Metus ist die durch Drohung erregte ängstliche Gemüthsstimmung (Cic. Tusc. IV, 7. opinio impendentis mali, quod intolerabile esse videatur), oder wie Ulp. Dig. h. t. IV, 2, l. 1. erklärt: propter instantis vel futuri periculi causa mentis trepidationem. Burchardi, die Wiedereinsetzung u. s. w. p. 283-376. Schilling, II, p. 261 f. 427 ff. Bocking, Pand. p. 292 ff. Hier ist auch davon die Rede, dass die Furcht juristisch nur dann in Betracht kommt, wenn die Drohungen bedeutend und nicht unwahrscheinlich sind, so dass man wohl weichen konnte. Dieses heisst iustus metus oder timor und praesens metus, Dig. h. t. 1. 3. §. 1. 1. 4. 5. metum accipiendum, Labeo dicit, non quemlibet timorem, sed maioris mali. 1. 6. 7. 9 pr. 1. 23. §. 1. Cod. h. t. II, 20, 1. 4. 7. 10. Vgl. Klotz, zu Cic. p. Caec. I, p. 469 ff. Rudorff, in Zeitschr. f. gesch. R. W. XII, p. 131-170. Diese lehrreiche Abhandlung zeigt, dass die actio quod metus causa nicht aus der actio vi bonorum abzuleiten ist (so Schneider, subsidiäre Klagen, p. 390.), sondern dass sie vielmehr mit lex Cornelia repetundarum zusammenhängt. Lex Cornelia bedrohte Amtsmissbrauch der Magistraten, Octavius trug die Strafen auf die Erpressungen durch Privatwillkür über. Die Verwandtschaft der Repetundenklage und der Octavischen actio wird von Rudorff in verschiedenen Beziehungen nachgewie

sen.

Dass der Erfinder nicht Cassius Octavianus hiess zeigt derselbe p. 166 ff. gegen Schneider, p. 315 ff. und v. Vangerow, Leitfaden I, p. 244. 2 Cic. Verr. III, 65. fordert der Senator C. Gallius 70 v. C. von dem Nachfolger des C. Verres in Sicilien, L. Caecilius Metellus, ut ex edicto suo iudicium daret in Apronium (den berüchtigten Helfershelfer des Verres), quod per vim et metum abstulisset, quam formulam Octavianam`et Romae Metellus habuerat et habebat in provincia (die Formel war aus dem städtischen Edikt in das provincielle übergegangen). Mit dieser Klage wurden nach Sullas Tod die Sullaner genöthigt, vieles herauszugeben, was sie in der Schreckenszeit per vim et metum erpresst hatten, Cic. ad Qu. fr. I, 1, 7. Eine Andeutung hat Sen. controv. IV, 26. per vim metumque gesta, ne sint rata.

gen Jeden, dem der Zwang zu Statten gekommen ist, z. B. gegen den Besitzer der Sache (quantum oder quatenus ad eum pervenit, Dig. h. t. 19. 20.) l. 14. §. 5. l. 9. §. 8. l. 10 pr. Die Klage bezweckte wirkliche Restitution. Wenn der Beklagte aber nicht gehorchte oder ausser Stande war, die Sache zu restituiren (z. B. wenn sie zerstört oder verkauft war), so wurde der Kläger zum Schätzungseide gelassen und nun erfolgte die vierfache Geldcondemnation, nemlich zu dem einfachen Ersatz der Rechtsverletzung (quod interest, Dig. h. t. 1. 14. §. 14., nicht etwa der Sachwerth), und zu dem dreifachen Betrag als Strafe, Dig. 1. 14. §. 1. 4. 1. 21. §. 2. Inst. IV, 6, 27. 31. Dass die Klage auf das quadruplum mit Jahresfrist erlischt und dann nur auf das simplum übrig bleibt, ist aus Dig. h. t. 1. 14. §. 1. wahrzunehmen. Die exceptio metus wurde zugleich mit der actio von Octavius aufgestellt, damit der durch Drohungen Gezwungene, eine desfallsige Klage zurückweisen konnte. Ulp. Dig. IV, 2, 1. 9. §. 3. Dig. XLIV, 4, 1. 4. §. 33.

3. Verletzungen des Besitzes, s. p. 197. und Buch 6.

Elftes Capitel.

Obligationes ex variis causarum figuris.

Unter dieser Benennung werden solche Obligationen verstanden, welche weder auf einem wirklichen Vertrag, noch auf einem wahren Delikt beruhen, sich aber theils an diese, theils an jene Entstehungsweise näher anschliessen und daher auch ähnliche Wirkungen haben, gerade als wenn ein Vertrag oder ein Verbrechen vorausgegangen wäre.

A. Obligationes quasi ex contractu. 1

Unter diesen Obligationen, welche den aus Verträgen entspringenden am nächsten stehen (Inst. III, 27.), sind folgende

zu nennen:

1) Die obligatorische Verpflichtung zur Wiederherausgabe dessen, was Jemand ohne rechtlichen Grund empfangen hat.

1 Schilling, Bem. p. 235 ff. C. Sell, de condict. Darmst. 1834.

Diese Verpflichtung beruht keineswegs auf einem Versprechen, sondern auf der Thatsache, dass Etwas rechtlos empfangen worden ist (auf einer grundlosen Bereicherung, re). Der Verpflichtete wird zur Herausgabe mit einer Condictio gezwungen, welche zwar ex aequo et bono introducta (Dig. XII, 6, 1. 66.), aber stricti iuris actio ist, und gleichwohl auch auf die Früchte der Sache geht, Paull. Dig. XXII, 1, l. 38. §. 2. 3. Dig. XII, 4, l. 12. XII, 6, 1. 15 pr. 1. 65. §. 5.

a) Condictio causâ (d. i. re) datâ causâ non secutâ,1 oder wie sie im Codex später hiess: ob causam datorum, oder ob rem dati re non secuta, Dig. XII, 4, 1. 16. Wenn Jemand etwas hingab, in der Erwartung oder Voraussetzung einer künftigen Gegenleistung (welche die Natur einer Bedingung hat), so kann er, wenn diese nicht erfolgt, die genannte condictio anstellen, denn der Empfänger hat das Gegebene dann ohne Grund. 2

Oft conkurrirt mit dieser condictio die Klage des Innominatcontrakts, praescriptis verbis actio, Dig. XIX, 5, l. 5. §. 1. 2. 1. 7., 648.

s. p.

b) Condictio ob turpem vel iniustam causam, Dig. h. t. XII, 5. Cod. IV, 7. Wenn Jemand Etwas aus einer für den Empfänger unsittlichen oder ungerechten Ursache erhalten hat, so kann man es mit der genannten condictio zurückfordern.

3

1 Wächter, de cond. causa d. c. n. s. Tub. 1822. A. Eræleben, die Condict. sine causa. II, (1853.) die Condictio causa data c. n. s. Pagenstecher, in krit. Zeitschr. Heidelb. 1854. II, 1, p. 60–67. Huschke, Studien I, p. 288. und Schilling, p. 592.

• Paull. Dig. XII, 5, l. 1. §. 1. ob rem igitur honestam datam ita repeti potest, si res propter quam datum est, secuta non est. Dig. XII, 6, 1. 52. 1. 65. §. 4. Cod. IV, 6. Dig. XII, 4. und Ulp. das. 1. 3. §. 2. si tibi dedero, ut Stichum manumittus, si non facis, aut si me poeniteat (d. h. er kann sich die Sache reuen lassen, nemlich wenn er dem Empfänger etwas mit einer bestimmten Verwendung (causa) giebt, was bei den anderen Obligationen einseitig unzulässig ist), condicere possum. 1. 5. §. 2. l. 11. Ueber dieses s. g. Reuerecht s. Erxleben, de contract. innom. indole. Gott. 1835, p. 143-165. und Condict., p. 11 f. 133. Pagenstecher, a. a. O. p. 72-83. S. auch Schilling, p. 586 f. 594 f.

Paull. Dig. h. t. l. 1. §. 2. 1. 2 pr. 1. 4. §. 2. Wenn aber der Tadel der Unsittlichkeit oder der Rechtswidrigkeit den Geber oder den Geber und Empfänger zugleich trifft, so hat derselbe keinen Anspruch auf die condictio, veluti si pecunia detur, ut male iudicetur. 1. 3. 1. 4 pr. §. 1.3. 4. 1. 6 ff.

c) Condictio indebiti. Wer in dem Wahn, einem Andern etwas schuldig zu seyn, diese vermeintliche Schuld auszahlte, hat die condictio, wenn er sich in einem entschuldbaren Irrthum befand, denn der Vermögensübergang ist dann rechtlich als grundlos zu betrachten. Wenn er wissentlich ein indebitum bezahlte, so hatte er keinen Anspruch auf Rückforderung, Dig. h. t. XII, 6. Cod. IV, 5. 2

d) Condictio sine causa. Dieser Ausdruck im weiteren Sinne umfasst die condictio causa data causa non secuta und die condictio indebiti in sich (s. Dig. h. t. XII, 7, 1. 1 pr.), im engeren Sinne aber die Fälle, wo der Mangel einer ausreichenden causa die Rückforderung rechtfertigt, ohne dass sie in die Kategorie der condictio indebiti fallen. Cod. IV, 9.

2) Obligationen aus einer Gemeinschaft (communio). Die Gemeinschaft eines Gegenstandes oder Rechts entsteht sowohl aus einer Societät, als auch durch Zufall auf mannichfache Weise, z. B. wenn Mehreren eine Sache zusammen vermacht ist, und erzeugt eine Obligation unter denen, welche die Sache oder das Recht gemeinsam innehaben (obligatio ex communione), die Obligation aber giebt jedem Einzelnen das Recht, Aufhebung der Gemeinschaft durch Theilung des Gemeinsamen zu verlangen, was bei gemeinsamer Erbschaft durch actio familiae erciscundae (s. Buch 5.) und sonst (z. B. in vectigali agro, Ususfructus u. s. w.), durch die actio communi dividundo bewirkt wird. 3

1 C. Sell, in Sell, Jahrbüch. 1841, I, 1, p. 116-181. Christiansen, z. Lehre v. d. nat. obl. u. cond. iud. Kiel 1844. Renaud, in Arch. f. civ. Prax. XXIX, p. 147-181. 428-454. A. Erxleben, die Condictiones sine causa. I. Leipzig 1850. (hält diese Klage nicht, wie gewöhnlich, für einen Ausfluss des Princips, dass sich der Empfänger zum Nachtheil des Gebers nicht unbillig bereichern dürfe, Dig. L, 16, 1. 206. XII, 6, 1. 14., sondern leitet die Entstehung der Condictio aus dem Geschäfte ab, durch welches der gegebene Gegenstand ohne Grund in das Vermögen des Empfängers gekommen ist, s. Papin. Dig. XII, 6, 1. 66. Julian, das. 1.33.). R. Römer, die Beweislast hins. des Irrthums. Stuttg. 1852, p. 55-66.

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Ulp. Dig. h. t. 1. 14. nam hoc natura aequum est, neminem cum alterius detrimento fieri locupletiorem. Die Römer verglichen dieses Verhältniss mit dem mutuum, weil die Verpflichtung ebenfalls durch den Empfang (re) begründet war, Gai. Dig. XLIV, 7, 1. 5. §. 3. Gai. III, 91.

* Dig. b. t. X, 3. Cod. III, 37. 38. Paull. Dig. h. t. I. 1. communi dividundo iudicium ideo necessarium fuit, quod pro socio actio magis ad per

Finium regundorum actio1 wird angestellt, wenn die Grenzen (fines) zweier oder mehrer neben einander liegender Grundstücke (praedia rustica) in Verwirrung gerathen sind, Dig. h. t. 1. 4. §. 8. Auf städtische Grundstücke mit Häusern findet sie nicht Anwendung, wohl aber auf städtische Gärten. Sie bezweckt Grenzberichtigung und Sicherstellung der zu bestimmenden Grenze gegen abermalige Verwirrung (fines regere), 3 und kann auch von

sonales invicem praestationes pertinet, quam ad communium rerum divisionem. Denique cessat communi dividundo iudicium, si res communis non sit. 1. 2 pr. 8 pr. In mehren Punkten stimmen die Theilungsklagen ganz überein: a) Jeder ist nach seinen Rechten und Pflichten zugleich Kläger und Beklagter, weshalb sie iudicia duplicia hiessen, Gai. Dig. X, 3, 1. 2. §. 1. Julian. Dig. X, 1, 10. X, 2, 1. 2. §. 3. 1. 44. §. 4. X, 3, 1. 2. §. 1. XLIV, 7, 1. 37. §. 1. b) Bei der Theilungsklage kommen auch die gegenseitigen Verpflichtungen der Parteien in Berücksichtigung und das Urtheil erkennt auch auf allerlei Leistungen, z. B. Herausgabe und Berechnung der Früchte, Ersatz der Kosten u. s. w., ganz analog dem Societätsverhältniss, Dig. X, 3, 1. 3 pr. 1. 4. §. 3. I. 11. X, 1, 1. 4. §. 1. 2. X, 2,1 22. §. 4. Inst. III, 27 (28), 3. IV, 17, 4. c) Durch die richterliche adiudicatio wird Eigenthum zugesprochen, s. p. 232. Wenn eine Theilung nicht gut thunlich ist, so übernimmt eine Partei das Ganze und findet die andere mit Geld ab, Inst. IV, 17, 4. 5.

1 J. F. Brackenhoffer, de fin. reg. actione. Argentor. 1784. Wiederhold, Zeitschr. f. Civilr. u. Prax. XIII, p. 35—66. E. Hoffmann, im Arch. f. civ. Prax. XXXI, p. 493-534. Puchta, actio fin. reg. 1837. und in kl. civil. Schriften, p. 347-358., Instit. II, p. 573–579. (604-610.). Reich an neuen Resultaten sind die vortrefflichen Arbeiten von Rudorff, in Zeitschr. f. R. W. X, p. 343-437. und gromat. Instit. zu den Agrim. p. 422-445.

2 Dig. h. t. X, 1. Cod. III, 39. Cod. Th. II, 26. Ulp. Dig. h. t. 1. 2 pr. haec actio pertinet ad praedia rustica, quamvis aedificia interveniant; neque enim multum interest, arbores quis in confinio, an aedificium ponat. 1. 4. §. 10. Dass die Klage auf städtische Anlagen nicht anzuwenden sey, sagt auch Cic. Top. 10. quemadmodum, si in urbe de finibus contraversia est, quia fines magis agrorum videntur esse, quam urbis, finibus regundis adigere arbitrum non possis. Vgl. die schwierige Inschrift bei Orell. 3347.

Boeth. zu Cic. Top. 10. regi fines dicuntur, quotiens unus quisque ager propriis finibus terminatur. Cic. de leg. 1, 18. requiri placere terminos (bei controversia de finibus). Tibull. I, 3, 44. Wenn die alten Grenzen nicht wieder herzustellen sind, so hat der Richter das Gemeinsame durch Adjudikation zu theilen (mit der Formel bei Gai. IV, 42. quantum adiudicari oportet, iudex Titio adiudicato.) und eine neue Grenze zu bestimmen (Orell. 3671.), Dig. b. t. 1. 2. §. 1. 1. 3. Inst. IV, 17, 6,

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