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famia. Ursprünglich hatte dieselbe vorwiegend politischen Einfluss, berührte also Frauen nicht. Als aber seit lex Julia et Papia Poppaea die infamia mehre auf Frauen anwendbare Nachtheile mit sich führte, wurden auch die Frauen wegen verletzter Trauerpflicht infames und das Edikt erhielt nun eine Ausdehnung. S. noch Dig. III, 2, 1. 8. 9. 10. 11. 12. 13. Vat. fragm. 320.1 — Uebrigens wurde die zweite übereilte Ehe nicht als Pietätsverletzung geahndet, sondern nur deshalb, damit die Vaterschaft des bald nachher gebornen Kindes nicht bestritten sey, Dig. III, 2, 1. 11. §. 1. propter turbationem sanguinis. S. auch §. 2. 2) Doppelte Heirath (Bigamie) und doppeltes Verlöbniss zog ebenfalls infamia nach sich und zwar ursprünglich blos für den Mann, später auch für die Frau. Dig. III, 2. 1. 1. quive suo nomine, non iussu eius, in cuius potestate esset - bina sponsalia binasve nuptias eodem tempore constitutas habuerit. Ebendaselbst 1. 13. §. 14. Cod. IX, 9, 1. 18. 3) Meretrices, quae vulgo corpore quaestum faciunt, waren in dem Edikt natürlich nicht genannt, da es Frauen gar nicht erwähnte. Aber nachdem lex Julia et Papia Poppaea die Ehe solcher Frauen und der Senatoren verboten und nachdem lex Julia de vi den meretrices die Fähigkeit Zeugniss abzulegen genommen hatte, Dig. XXII, 5, 1. 3. §. 5., wurden dieselben für eben so infam gehalten als die lenones, Dig. XXIII, 2, 1. 43. §. 6. lenocinium facere non minus est, quam corpore quaestum exercere. XII, 5, 1. 4. §. 3. III, 2, 1. 24. Darum sagt Quint. VI, 3, 51. infames feminae. In der republikanischen Zeit litten die meretrices nur an faktischer ignominia. 4) Lenocinium, nemlich von Männern betrieben, war schon in dem Edikt mit infamia belegt Tab. Heracl. 123. Dig. III, 2, 1. 1. qui lenocinium fecerit und 1. 4. §. 2. 3. 5. qui corpore quaestum fecit fecerit (Tab. Heracl. 122. 123.) oder qui corpore suo muliebria passus est (Dig. III, 1, l. 1. §. 6.), war von jeher infamis. Cod. IX, 9, I. 31. 6) Dasselbe galt von dem Schauspielergewerbe (Tab. Her. 123. qui lanistaturam artemve ludicram fecit fecerit, Dig. III, 2, 1. 1. qui artis ludicrae pronuntiandive causa in scenam prodierit 1. 2. §. 5. 1. 3.), 2 und von dem Kampf

1 Eine schöne Untersuchung über die durch Verletzung der Trauerzeit entstehende infamia s. bei v. Savigny II, p. 531-553. Ueber die infamia der Frauen p. 219 ff. 517–531.

* Vgl. Liv. VII, 2. (dass die actores Atellanarum nicht wie histrio

mit den Thieren im Amphitheater, sogar wenn sich Jemand nur dazu vermiethet hatte und gar nicht wirklich aufgetreten war; Tab. Her. 112. 113. quive depugnandi causa auctoratus est erit fuit fuerit. Dig. III, 1, 1. 1. §. 6. qui operas suas ut cum bestiis depugnaret locaverit qui locavit, solus notatur, sive depugnaverit sive non.

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Wirkungen der infamia. 1

1) In Beziehung auf das öffentliche Recht verlor der infamis sowohl das ius suffragii 2 als das ius honorum, er büsste also alle politischen Rechte ein. Für das erste liegen die Zeugnisse über die infamia der Schauspieler vor, von denen es heisst, dass sie aus der Tribus gestossen, also unter die Aerarier versetzt worden wären, s. in vor. Anm. Auch stehen in der lex der tabula Bantina neben anderen Merkmalen der infamia (p. 136.) folgende Worte: queicomque comitia conciliumve habebit, eum suffragium ferre nec sinito. Der Verlust des Ehrenrechts war eine natürliche Folge des ersten und wird durch viele Nachrichten bestätigt, Cic. p. Clu. 42. turpi iudicio damnati in perpetuum omni honore ac dignitate privantur., Tab. Heracl. (109 f.) 123 f. Dig. XLVIII, 7, l. 1 pr. omni honore, quasi infamis, ex Scons. carebit. Dig. L, 2, 1. 6. §. 3. 1. 12. I, 22, 1. 2. L, 7, 1. 4. §. 1. Cod. X, 57, l. 1. XII, 36, 1. 3. X, 31, 1. 8. vgl. XII, 1, 1. 2. Endlich ist zu erwähnen, dass man nur in

nes angesehen werden sollten, also auch nicht aus der Tribus gestossen würden, ebenso Val. Max. II, 4, 4.). Cornel. Nep. praef. Augustin. de civ. dei II, 13. aus Cicero: cum artem ludicram scenamque totam probro ducerent, genus id hominum non modo honore civium reliquorum carere, sed etiam tribu moveri notatione censoria voluerunt. 27. actores honore privavit, tribu movit, agnovit turpes, fecit infames. Tertull. de spectac. 22. quadrigarios, scenicos — manifeste damnant ignominia et capitis minutione, arcentes curia, rostris, senatu, equite, ceterisque honoribus omnibus simul ac ornamentis quibusdam. Die athletae und designatores waren aber in dieser infamia nicht inbegriffen, Dig. III, 2, 3. 4. §. 1 pr. P. Faber, semestria II, p. 180 ff. Grysar, in Allg. Schul-Zeitung 1832, N. 46. L. Gelbke, de causis infamiae, qua scenicos Romani notabant. Lips. 1835. 1 Marezoll, p. 205-259. v. Savigny II, p. 186-223.

• Dieses wurde zuerst behauptet von Burchardi, p. 33., angenommen von Grysar, Allgem. Schul-Zeit. 1832, N. 46., Walter, R. G. II, p. 455., Christiansen, röm. Rechtsgesch. p. 146., am gründlichsten bewiesen von v. Savigny, System II, 202 ff., welchem die Neueren beistimmen. Anderer Ansicht war früher Marezoll, p. 207 f.

Rücksicht der Verlustes des ius honorum und suffragii von den infamirenden Klagen sagen konnte, sie seyen summae existimationis et paene capitis. Cic. p. Rosc. Com. 6. Ebenso wird vom Concurs der Ausdruck capitis causa angewendet. Cic. p. Quinct. 8. 19.13.22. Inwie weit die infames Zurücksetzung im Kriegsdienst erlitten, gehört nicht hierher.

2) Im Criminalrecht und im Prozess. Das Recht eine actio popularis anzustellen, entbehrt der infamis gänzlich (Dig. XLVII, 23. 1. 4. popularis actio integrae personae permittitur, hoc est cui per edictum postulare licet.), eine Criminalanklage darf er nur dann erheben, wenn er liberorum vel patronorum suorum mortem eo iudicio vel rem suum exsequatur, z. B. wegen Ehebruchs, (Coll. IV, 4, 2. 5, 1. Dig. XLVIII, 2, 1. 4. 8.), oder wenn seine Anklage auf Majestätsverbrechen gerichtet ist, Dig. XLVIII, 4, 1. 7 pr. famosi, qui ius accusandi non habent, sine ulla dubitatione admittuntur ad hanc accusationem (maiestatis). Im Civilprozess war die Fähigkeit zu postuliren sehr beschränkt. Einige infames (turpitudine notabiles) durften nie für Andere postuliren, Dig. III, 1, 1. 1. §. 5. 6., andere konnten es nur dann, wenn sie zu der Vertretung derselben verpflichtet waren (z. B. für Kinder, Eltern, Patronen). Das. §. 7. 8. qui omnes, nisi pro se et certis personis non postulant. Daher heisst es ganz allgemein, dass ein infamis nicht cognitor oder procurator seyn dürfe, Paull. I, 2, 1. omnes infames qui postulare prohibentur, cognitores fieri non possunt, etiam volentibus adversariis. Vat. fragm. §. 322 ff. Ungegründet ist die früher mehrmals aufgestellte Behauptung, dass die infames weder vor Gericht noch bei feierlichen Rechtsgeschäften Zeugniss hätten ablegen dürfen. Nur die intestabiles (s. p. 132 f.) waren davon ausgeschlossen und diejenigen Arten der infames, denen einige Gesetze die Zeugefähigkeit absprachen, so lex Julia de vi u. A. s. p. 133. 142. Später verhängten christliche Kaiser über mehre Ketzer, namentlich die Manichäer, diese Strafe Cod. Th. XVI, 7, 3.

3) Privatrechtlich erlitten die infames ursprünglich keinerlei Schaden. Lex Julia et Papia Poppaea begründete den ersten derartigen Nachtheil, nemlich eine Beschränkung der Erbfähigkeit (s. Buch 3.). Die erbrechtlichen Benachtheiligungen haben den

1 J. A. H. Escher, de testium ratione. Turici 1842, p. 33 ff.

selben Ursprung und erstrecken sich nur auf einige Arten der infames. Zufolge der lex Julia et Papia Poppaea sollten bei den zwischen Senatoren und einer Freigelassenen u. s. w. oder zwischen einem ingenuus und einer famosa geschlossenen Ehen die Gatten gegenseitig nichts aus ihren Testamenten erwerben, indem man es so ansah, als wenn diese Gatten gar keine Ehe geschlossen hätten. Ulp. XVI, 2. nihil inter se capiunt (vir et uxor). Auch konnte die famosa nichts aus dem Testament eines Dritten erwerben, weil sie im Sinne der genannten lex nicht als verheirathet galt. Diese Benachtheiligung war demnach nicht sowohl eine Strafe der infames, als vielmehr eine Folge der in der lex enthaltenen Bestimmungen (des angenommenen Cölibats). Die wachsende Unsittlichkeit der Frauen überhaupt veranlasste aber generelle Incapacitätserklärungen der ehelosen Frauen, wodurch allen Gesetzumgehungen vorgebeugt werden sollte. Suet. Dom. 8. probrosis feminis lecticae usum ademit iusque capiendi legata hereditatesque., mit einer einzigen Ausnahme rücksichtlich der legitima hereditas, die sie von ihren Kindern erwerben durften. Dig. XXXVIII, 17, 1. 2. §. 4. Sonst waren sie ganz unfähig und durften nicht einmal von Soldaten erben, obwohl die Soldaten berechtigt waren, andere erbunfähige Personen testamentarisch zu bedenken. So bestimmte Hadrian. Dig. XXIX, 1, 41. §. 1. nec ex testamento militis aliquid capere potest. Dig. XXXIV, 9, 1. 14. 1

Von den eben aufgezählten Wirkungen der infamia wurden die politischen sehr bald unpraktisch. Die Beziehung auf das Stimmrecht erlosch mit der Monarchie von selbst, auch das ius. honorum verlor seine Bedeutung und die Communalämter gereichten mehr zur Last als zur Ehre. Die Ehrenbeschränkun

1 v. Savigny, System II, p. 517-531. 557 ff. bringt auch das Gesetz Domitians und Hadrians mit lex Julia et Papia Poppaea und dem Cölibat in Verbindung, was nur durch eine gezwungene Erklärung der an sich einfachen Worte möglich ist. S. dagegen W. Sell, zur Lehre von der Incapacität und Indignität, in K. und W. Sells Jahrbüchern III, 3. Braunschw. 1845, p. 431-445. Eine Umgehung des Gesetzes erwähnt Iuv. I, 55 f.

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Quum leno accipiat moechi bona, si capiendi

Ius nullum uxori.

d. h. der Ehebrecher vermacht das, was er seiner Geliebten nicht vererben kann, dem kupplerischen Gatten derselben.

Rein's rüm. Privatrecht.

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gen

und die damit verbundene erbrechtliche Incapacität der feminae probrosae hörte mit Justinus auf, Cod. V, 4, 1. 23. und Justinian ging hierin noch weiter, Cod. V, 4, 1. 29 oder I, 4, 1. 33. Nov. CXVII, 6. LXXVIII, pr. c. 3. Auch die Beschränkung der prozessualischen Stellvertretung verschwand mit Justinian, Inst. IV, 13, 11. und es hing nun von der Obrigkeit ab, ob sie den Infamen postuliren lassen wolle oder nicht. Der Gegner durfte wenigstens den infamen Vertreter nicht zurückweisen.

Drittes Capitel.

Fernere Verschiedenheiten der Rechts- und Hand

lungsfähigkeit.

Die Handlungsfähigkeit richtete sich nach Alter, Geschlecht, Gesundheit der Menschen. In der spätesten Zeit war auch die Religion von Einfluss.

I. Einfluss des Alters. 2

In der Kaiserzeit waren gewisse Altersstufen, die von rechtlichen Folgen begleitet waren, an bestimmte Jahre geknüpft, in der republikanischen Zeit dagegen nahm man mehr die Individualität eines Jeden als Maassstab an. 1) Die Zeit der Unmündigkeit (aetas pupillaris, puerilis, imperfecta u. s. w. Dig. IV, 4, 1. 38. XLIX, 14, 1. 16. C. Th. III, 5, 1. 3. ante tutelae suae annos, Quint. VII, 6, 10.) umfasste drei Termine, denn die impuberes (auch pueri, pupilli genannt) sind: a) infantes, a non fando, Non. Marc. I, 275. Varro. 1. 1. V, 7. (identisch qui fari non potest, Dig. XLV, 1, 1. 70. XXXVI, 1, 1. 65. §. 3.) eigentlich Kinder, so lange sie nicht sprechen können. Dann aber wurde, um jede Ungewissheit zu entfernen, die infantia gesetzlich bis zum 7. Jahre ausgedehnt, weil die Kinder, wenn sie auch vorher sprechen können, dieses doch nicht mit Einsicht und Verständniss der Bedeutung thun. 3 Isidor. IX, 2. Cod. VI, 30. 1. 18 pr. §. 4. Cod.

1 v. Savigny, System II, p. 530 f. W. Sell, a. a. O. p. 448 457. Ueber alle Altersstufen handelte Zimmern, R. G. I, p. 426-436. Schilling, Inst. II, p. 131-142. v. Savigny, System III, p. 21-82. Puchta, Inst. II, p. 318-325. Böcking, Pand. I, p. 151 ff.

* Manche behaupten, dass dieses durch den Einfluss der griechi

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