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Mit Goethe (Br. an Fr. v. Stein I, 484) hat er gemein die Bewunderung für Händels 'herrliche' Werke (S. 179. 214). Sein Leben vergleicht er der 'Krankheitsgeschichte eines Wahnsinnigen' (S. 164); so fühlt er sich dem Tasso verwandt (S. 128). Er kennt genau die eigene unselige Hypochondrie; so verehrt er den klassischen Typus des Hypochonders: Lichtenberg (S. 119. 122). Das beliebte Haschen aber nach Anklängen auch auf Grillparzer anzuwenden, davor warnt er trefflich selber durch ein schlagendes Beispiel (S. 221).

Wir schliefsen damit, einige Einzelheiten hervorzuheben. 1) Sauer hat die Briefe und Akten gefunden, welche die Verhandlungen über den Bancbanus betreffen (III, 32. 39). 2) Feuchterslebens Wirken für Goethe (III, 65. 78. 80). — 3) Grillparzer lobte keinen so warm und herzlich wie Feuchtersleben. Sein Wort über die in Deutschland selten gewordene Wahrhaftigkeit gegen sich selbst (III, 77) pafst 1894 so gut wie 1819. 4) Was in den Tagebuchblättern auf Familienmitglieder Lebender sich bezieht, ist nicht abgedruckt (III, 99). 5) Warum heifst 'Der arme Spielmann' die 'einzige Novelle' Grillparzers (IV, 50)? Wo bleibt 'Das Kloster bei Sandomir'? Beide nennt Grillparzer 'Erzählungen'. 6) Starb Raimund am 30. August (IV, 168) oder, wie man anderwärts liest, am 5. September?

Höchst wohlthuend berührt es, dafs die am Jahrbuch mitarbeitenden Gelehrten niemals sich gegenseitig Weihrauch opfern. Sie haben es auch durchweg nicht erst nötig.

Berlin.

Das niederdeutsche Schauspiel.

Max C. P. Schmidt.

Zum Kulturleben Hamburgs. Von Karl Theodor Gaedertz. Neue, um zwei Vorworte vermehrte Ausgabe. Zwei Bände. Hamburg, Verlagsanstalt und Druckerei A.-G. (vormals J. F. Richter), 1894. XVIII, 258 und XXXI, 286 S. 8.

Dies litterar-, kultur- und sprachgeschichtlich bedeutsame Werk in der kürzlich erschienenen Neuausgabe an dieser Stelle vorzuführen, halte ich gewissermafsen für Pflicht, weil das Buch bisher nicht die nach meiner Ansicht verdiente Anerkennung gefunden hat, obwohl die zahllos in die beiden Bände verflochtenen Einzelheiten Parallelen auf Parallelen zu allerhand dramatischen Motiven und dialektologischen Beobachtungen bieten, wie sie im Gebiete der neueren Litteraturen auf Schritt und Tritt begegnen. Aber auch an und für sich dürfen die Gaedertzschen Kapitel die Anordnung des weitschichtigen Stoffes zeichnet sich durch Klarheit und Hervorkehren der Hauptgesichtspunkte aus erhebliches Interesse beanspruchen, zumal ihre Fassung einladet und fesselt. Nicht etwa blofs bei der Platt redenden Bevölkerung und den Leuten an der Elbe- und Wesermündung nebst den Anwohnern des Nordostseekanals insbesondere, die hier den greifbaren Typen ihrer volksmäfsigen Bühne und der etwas theatralisch geformten geliebten Mundart begegnen. Nein, vielmehr lehrt

ein Blick in die sauberen Verzeichnisse der durchgenommenen Stücke, sowie der vorkommenden Eigennamen, dafs oft genug eine Brücke zu anderen bisweilen völlig abgelegenen scenischen Dichtungen sich schlagen läfst. Der erste Band behandelt das niederdeutsche Drama von den Anfängen 'to te Franzosentid' (mit einem dem Klassiker der Sonderlitteratur, Fritz Reuter, entlehnten Terminus), der zweite die plattdeutsche Komödie im neunzehnten Jahrhundert. Im Verhältnis zu der ersten, ein Jahrzehnt früher hervorgetretenen Bearbeitung zeigen sich wie in dieser Gliederung, so auch im grofsen Ganzen die zwei, seitens des Verlegers hübsch ausgestatteten und wohl so gut wie fehlerlos gedruckten Bände unverändert. Hinzugekommen sind eine kleine Zahl von Fufsnoten samt zwei umfänglichen, principiell wie im sachlichen Inhalt höchst anziehenden Vorreden, die alles irgend Nennenswerte in dem dem Verfasser eignenden anspruchslosen Stile nachtragen. Aufrichtig wünsche man ihm allen Anlass zur innigen Freude an diesem seinem wohlgeratenen Lieblingskinde.

München.

Ludwig Fränkel. Allgemeine Sammlung niederdeutscher Rätsel. Nebst einigen anderen mundartlichen Rätselaufgaben und Auflösungen. Herausgegeben von Rudolf Eckart. Leipzig, Adolf Weigel, 1894. VIII, 136 S. kl. 8. M. 1,50.

Der Verfasser dachte bei diesem Büchlein, in dem er 'so ziemlich das ganze vorhandene Material an Volksrätseln' zusammengetragen zu haben versichert (S. V), nicht an Fachgelehrte, die ihm, durch seine 'Niederdeutschen Sprachdenkmäler' (vgl. Roediger im Archiv XCI, 281 f.) argwöhnisch gemacht, schwerlich mit grofsem Vertrauen entgegenkommen würden, sondern an die 'weitesten Volksschichten', denen seine Sammlung zur unterhaltenden Lektüre dienen will' (S. VII). Deshalb hat er auch, 'jenes Beiwerk, womit', wie er sich in dem ganzen Stolze seines Dilettantentums S. VII ausdrückt, 'die Forscher in ihren Untersuchungen gern prunken', weggelassen. Es hat ihm genügt, 'das ganze Rätselmaterial teils aus dem Volksmund selbst, teils aus den schon vorhandenen Specialforschungen hier für jedermann wohlfeil darzubieten' (S. VII f.). Wenn nun aber sein 'Werk einmal den ausgesprochenen Zweck hat, ein Volksbuch zu sein', so hätte der Verfasser solche Rätsel, die, wenn auch ihr Gegenstand nicht anstöfsig ist, doch 'eine äufserlich zweideutige Form haben' (S. V), unbedingt ausschliefsen sollen. Auch ist zu tadelm, dass der Verfasser mit der Anordnung des von ihm gebotenen Stoffes sich durchaus keine Mühe gegeben hat. Nach S. VII wollte er keine Varianten aufnehmen, aber er ist von diesem Grundsatze wiederholt abgewichen. Ich greife ein Beispiel heraus, an das ich ein paar Bemerkungen zu knüpfen habe. S. 28 finden wir als Nr. 268:

...

's ging'n er fünfe jagen,

Sei (?) brachten en getragen
Vu Knärpelmitz noch Derpelmitz,
Durt schlug'n sie'n endlich tut,

mit der Auflösung S. 104 'Der gefangene Floh' und S. 67 als Nr. 717 die offenbare Variante:

Fiw kemen tau jagen,

Bröchten einen Gefang'nen tau dragen;

Sei bröchten em na Wittkiker,

Von Wittkiker na Wittknöker,

Futsch! wir hei vor't Gericht.

Zunächst sei hier auf ein, soviel ich weifs, bisher noch nicht gedrucktes lateinisches Rätsel hingewiesen, das ich in einer Oxforder Handschrift des 15. Jahrhunderts (Douce 52 fol. 30 r) gefunden habe:

Ad siluas pergo venator cum cane quino:

Quod capio, perdo; quod fugit, hoc habeo.

Ich habe venator statt des handschriftlichen venato geschrieben, doch würde auch venatum dem Sinne genügen. Zum Teil noch näher, als die angeführten zwei deutschen Fassungen, von denen Frischbier in Zachers Zeitschrift für deutsche Philologie XI, 358 weitere Varianten giebt, stimmt zu der lateinischen Nr. 720 (S. 67) bei Eckart:

Ein Jäger gäng up de Jagd:

Wat hei finnen ded, smet hei weg,

Un, wat hei nich finnen ded, dat behöll hei.

Wir haben es gewifs mit Spröfslingen eines uralten Rätsels zu thun, mit Verwandten eines griechischen auriyua, das die meisten alten Biographien Homers mit diesem in Verbindung bringen, ja, zum gröfsten Teile an seinem Tode schuld sein lassen, indem sie entweder berichten, dafs Homer aus Ärger darüber, dafs er das von Fischern aufgegebene Rätsel nicht lösen konnte, gestorben sei, oder, dafs ein Sturz infolge seines Grübelns darüber sein Ende herbeigeführt habe. S. 23. 28. 30. 45 der Vitarum scriptores græci minores ed. A. Westermann lautet die Fassung

Οσσ ̓ ἕλομεν, λιπόμεσθ'. ὅσα δ' οὐχ ἕλομεν, φερόμεσθα. Wenig nur weichen ab die Fassungen auf S. 19 (Aoo' und hiñóμɛoỡða· à) und S. 25 (Ovs und ous): aufserdem finden wir das Rätsel S. 19 auch in Prosa: Ἡμεῖς, ἅοσ' εἵλομεν, κατελίπομεν· ἃ δὲ μὴ εἵλομεν, φέρομεν. Die Auflösung des griechischen Rätsels ist freilich nicht 'Flöhe', sondern ‘Läuse'. Es heirst z. B. S. 19 Οὐ δυναμένων δὲ τῶν παρεόντων γνῶναι τὰ ῥηθέντα διηγήσαντο οἱ παῖδες, ὅτι ἁλιεύοντες οὐδὲν ἐδύναντο ἑλεῖν, καθήμενοι δ' ἐν τῇ γῇ ἐφθειρίζοντο, καὶ, ὅσους μὲν ἔλαβον τῶν φθειρῶν, κατέλιπον· ὅσους δὲ μὴ ἐδύναντο, ἐς οἴκους ἀπεφέροντο. Aber in den Lustigen Blättern vom 4. August 1892 S. 5. wird die Geschichte so erzählt.

Von Homer, dem Dichter der Odyssee,
Die seinen Namen unsterblich gemacht,
Erzählt Herodot, wie furchtbar und jäh
Ein Rätsel dem Weisen den Tod gebracht.
Einst ging er am Ufer des Flusses entlang,
Da kamen zwei rüstige Fischer heran,
Homer wünschte ihnen Glück zu dem Fang;
'Es lohnte sich nicht!' sprach der eine Mann.

"Zwar warfen wir unsere Netze aus,

Doch all unser Mühen hatt' keinen Zweck;

Denn, was wir nicht fingen, trag'n wir nach Haus,
Und, was wir fingen, warfen wir weg!'

Der Worte Deutung fand nie Homer,
Verdüstert ward drum des Weisen Gemüt:

Er grübelte Tage lang hin und her,

Bis dafs er vor Kummer und Zweifeln verschied.'

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Trotzdem sich das Gedicht auf Herodot beruft, dem ja die erste von den alten Homerbiographien, wenn auch mit Unrecht, zugeschrieben wird, hat sein Verfasser doch vielleicht auch ein deutsches Rätsel über den Gegenstand gekannt (vgl. 'warfen wir weg' mit smet hei weg oben) und aus diesem die Lösung genommen. Übrigens gerade die pseudoherodotische Biographie läugnet ausdrücklich, dafs Homer gestorben sei ao̟à tò uỷ γνῶναι τὸ παρὰ τῶν παίδων ῥηθέν, ὡς οἴονταί τινες.

J. Z.

History of the English Language. By T. R. Lounsbury, Professor of English in Yale University. Revised and enlarged Edition. New York, Henry Holt and Company, 1894. XIV, 505 S. 8 und zwei Kärtchen.

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Die erste Auflage, die im Jahre 1879 erschienen ist, kenne ich nicht, und ich begnüge mich daher mit einem Citat von S. III: This revision has been carried out on so extensive a scale, and so numerous have been the alterations, that, while the old lines have been followed, the work, as a whole, has almost a right to be termed new. Das Buch ist für Anfänger berechnet und geht begreiflicherweise weit mehr in die Breite, als in die Tiefe. Zu verwundern ist es aber, dafs, von einigen gelegentlichen, besonders die Orthographie betreffenden Bemerkungen abgesehen, die Geschichte der Laute keine Berücksichtigung gefunden hat: der Leser erfährt nicht einmal etwas von der Lautverschiebung. Zu einzelnen Punkten erlaube ich mir Bemerkungen. Bei der Aufzählung der indogermanischen Sprachen S. 3 ff. fehlen das Armenische und das Albanesische. Dals das Gotische im neunten Jahrhundert ausgestorben sei (S. 9), ist nicht richtig: der Verfasser scheint nichts von den Krimgoten zu wissen. Mit from the Rhine to Pomerania (S. 10) sind die Grenzen des Plattdeutschen zu eng gezogen. Ae. stræt haben die germanischen Eroberer schwerlich von den Kelten gelernt (S. 20), sondern schon aus ihrer alten Heimat mitgebracht. S. 27 hätte doch deutlich gesagt werden sollen, dafs die germanische Sprache Englands in dieser selbst, soviel wir wissen, nur 'englisch', nie 'sächsisch' genannt worden ist. S. 34 heifst es, dafs die w-Rune hardly lasted beyond the Anglo-Saxon period: sie kommt aber noch gelegentlich im 14. Jahrhundert vor. berg in iceberg kann nicht

die Fortsetzung des ae. beorg sein (S. 42), da dieses ja barrow ergeben hat, sondern mufs aus einer anderen germanischen Sprache entlehnt sein. – S. 62 wird die Abfassungszeit von Arthur and Merlin mit der Entstehungszeit der ältesten Handschrift verwechselt. Verbindungen, wie

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S. 234 1. dohtru statt dōhtru.

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stone house oder stone jar, sind, wie die ältere Sprache beweist, wirkliche Composita, nicht ein Ersatz dafür, wie der Verfasser S. 113 annimmt. Zu S. 125 bemerke ich, dafs die freilich wenig umfangreichen Cantus beati Godrici aus dem 12. Jahrhundert (Engl. Stud. XI, 401 ff.) entschieden nördliches Gepräge (vgl. a. a. O. 432) zeigen. Statt tutundi (S. 202) 1. tutudi. Der me. Plural fon hätte statt S. 235 vielmehr schon S. 224 erwähnt werden sollen: er istae. gefan, Pl. von gefa, der schwachen Form von gefah. S. 249 1. ging-r-a und ging-est. S. 257 ist þam und þý statt þæm und þy zu schreiben und das letztere auch als Instrumental des Masculinums anzuführen. S. 258 wird von den Pluralformen des ae. Demonstrativpronomens sẽ, sẽo, pat gesagt: Modified as to their spelling by the corresponding forms of the similar pronoun of the Old Norse, they went over to the pronoun of the third person, and were finally adopted as its plural (vgl. auch S. 266 f.). Aber me. pei, þeire, þeim sind geradezu aus dem Altnordischen entlehnt. Nach S. 261 könnte es scheinen, dafs þys nur als Neutrum vorkommt, während es doch auch Masculinum ist. S. 267 fehlt die Bemerkung, dafs die westsächsische Prosa auch als Acc. nur mē, pē, us, ēow kennt. S. 293 wird ne. how für eine Zwillingsform von why erklärt: aber schon das Ae. unterscheidet hū von hwy; also ist die Sache doch nicht so sicher. Ebenda hätten Fügungen, wie swã hwa swa, erwähnt werden sollen, da von solchen die relative Verwendung der Fragepronomina ausgeht. S. 298 ist der § 146 besprochene Ersatz des Relativpronomens im Me. richtig mit dem vierten auf S. 293 angeführten Fall zusammengebracht: aber sẽ, seo, pet ist ein Versehen statt be. S. 299 wird who in as who should say für ein indefinites Pronomen erklärt; aber romanische Wendungen, wie frz. comme qui dirait, sprechen dafür, dafs who relativ ist. Dagegen ist what indefinit in I'll tell you what. S. 305 1. dyde statt dide. Ein einfaches ae. clifan (S. 313) ist nicht belegt (vgl. Cosijn Altwests. Grammatik II, 203), sondern nur das Compositum ōdclifan (s. Grein); ne. cleave aber setzt das schwache Verbum cleofian voraus (nicht die Nebenform clifian, wie S. 315 angenommen wird). · Die Behauptung, dafs das Part. shinen has hardly ever had a recognized existence' (S. 316; vgl. S. 394), ist unberechtigt; s. Stratmann - Bradley s. v. schinen und bischine. S. 318 werden slip und slit mit einem Fragezeichen auf ae. slipan und slitan zurückgeführt, aber die Vergleichung mit anderen germanischen Sprachen (mhd. slipfen und slitzen) läfst es rätlicher erscheinen, sie von ae. *slippan und *slittan abzuleiten. Ebenda vermisst man reapae. (merc.) reopan. S. 321 § 185 fehlt die Bemerkung, dafs flew eine Analogiebildung, falls nicht geradezu ae. fleow von flowan, ist. Ebenda 1. *fleohan oder fleon. S. 322 ist ae. ** crudan zu schreiben statt creodan und *sprutan statt spreotan, sprutan. Ne. float geht nicht auf ae. fleotan, sondern auf ae. flotian zurück. Ich vermisse ferner die

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